LSG Thüringen: Jobcenter muss Schülerin PC und Internet für Homeschooling bezahlen

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Landessozial Gericht (LSG) Erfurt verpflichtet Jobcenter zur Beschaffung eines internetfähigen Computers zur Teilnahme an pandemiebedingtem Hausschulunterricht (Az. L 9 AS 862/20 B ER).

Foto: Oksana Kuzmina/AdobeFotostock

Jobcenter lehnt Übernahme der Kosten ab

Die Antragstellerin bezieht SGB II Leistungen und besucht die 8. Klasse der Staatlichen Grund- und Regelschule. Ihre Mutter beantragte beim Jobcenter die Übernahme der Kosten für einen Computer sowie Drucker nebst Zubehör für den Schulunterricht. Das Jobcenter verneinte ebenso wie das Sozialgericht Nordhausen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren einen Anspruch.

Das Thüringer Landessozialgericht hat auf die Beschwerde der Antragstellerin hin durch Beschluss vom 8. Januar 2021 den Beschluss des Sozialgerichts abgeändert und das Jobcenter im Wege der Einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin ein internetfähiges Endgerät nebst Zubehör (Bildschirm, Tastatur, Maus, Drucker und drei Druckerpatronen) zur Verfügung zu stellen.

Alternativ hat es dem Jobcenter gestattet, diese Verpflichtung auch dadurch zu erfüllen, dass es die Kosten in Höhe von maximal 500,00 Euro für die Beschaffung durch die Antragstellerin selbst übernimmt. Im Übrigen hat der Senat die Beschwerde zurückgewiesen.

Die geltend gemachten Kosten stellten einen nach § 21 Abs. 6 SGB II anzuerkennenden unabweisbaren laufenden Mehrbedarf dar. Der Bedarf für die Anschaffung eines internetfähigen Computers nebst Zubehör zur Teilnahme am Schulunterricht im heimischen Umfeld sei im Regelbedarf nicht berücksichtigt.

Erhöhter Regelbedarf durch Homeschooling

Damit sei der Regelbedarf jedenfalls unter den gegenwärtigen Umständen der Pandemie nicht mehr in realitätsgerechter Weise zutreffend erfasst. Die Anschaffung eines internetfähigen Endgerätes sei mit der ab 16. Dezember 2020 erfolgten Schließung des Präsenzunterrichts zur Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin auf Bildung und Chancengleichheit erforderlich geworden. Während der pandemiebedingten Schließung des Präsenzunterrichts ermögliche die Zurverfügungstellung eines solchen internetfähigen Computers der Antragstellerin, auf die Thüringer Schulcloud zuzugreifen.

Der Bedarf sei auch unabweisbar. Im Haushalt der Familie der Antragstellerin sei lediglich ein internetfähiges Smartphone vorhanden, welches für die Benutzung der Schulcloud ungeeignet sei. Nach jetzigem Stand werde kein Gerät von der Schule oder einer sonstigen dritten Person zur Verfügung gestellt.

Kein Anspruch auf hochpreisige Geräte

Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anspruch auf das von ihr ausgewählte Gerät, dessen Preis sie im Verwaltungsverfahren mit 720,00 Euro ohne Druckerpatronen beziffert hat.

Nach dem SGB II besteht kein Anspruch auf bestmögliche Versorgung, sondern nur auf Befriedigung einfacher und grundlegender Bedürfnisse. Die Antragstellerin muss sich daher auf ein kostengünstiges und gegebenenfalls gebrauchtes zweckentsprechendes Gerät verweisen lassen.

Die Verpflichtung aus der Einstweiligen Anordnung kann der Antragsgegner erfüllen, indem er der Antragstellerin entweder ein internetfähiges Endgerät nebst Zubehör zur Verfügung stellt oder wahlweise auch dadurch, dass er die Kosten für die Anschaffung der genannten Objekte, welche der Senat auf maximal 500,00 Euro schätzt, übernimmt.

Die damit verbundene Vorwegnahme der Hauptsache ist vor dem Hintergrund der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gerechtfertigt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Quelle: Pressemitteilung des LSG Erfurt vom 19. Januar 2021

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Carl Christian Müller, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht