Gutschein statt Ticketpreiserstattung - Ist die Regelung verfassungswidrig?

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Das Amtsgericht (AG) Bremen sieht Tickethändler in der Pflicht. In einem Urteil vom 02.10.2020 entschied das AG Bremen, dass ein Ticketvermittler trotz der Gutschein-Regelung den Ticketpreis zurückzahlen muss (Az. 9 C 272/20). Das AG Frankfurt am Main hat einen ähnlich gelagerten Fall zu Rückzahlungsansprüchen für Konzertkarten zur weiteren Klärung an das Bundesverfassungsgericht verwiesen, da es Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung mit der Eigentumsfreiheit, Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz, und dem Vertrauensschutz aus Artikel 20 Abs. 3 GG hat (Az. 31 C 2036/20).

Covid19-Pandemie bringt Kultur- und Sportbetrieb zum Erliegen

Seit Beginn der Corona-Krise Anfang des Jahres können Veranstaltungen im Bereich Kultur, Freizeit und Sport nicht wie gewohnt stattfinden. Konzerte, Lesungen und Theateraufführungen müssen abgesagt werden. Fußball-Bundesligaspiele können großteils nur unter Ausschluss des Publikums durchgeführt werden. Dementsprechend sahen sich die Veranstalter und Ticketvermittler mit einer Vielzahl von Verbraucher-Anfragen konfrontiert, die den Eintrittspreis zurück haben wollten. Die Bundesregierung reagierte darauf mit einem Gesetz, dass Gutscheine statt Rückerstattung für Konzerte, Sport- und Kulturveranstaltungen vorsieht (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid19-Folgen im Veranstaltungsvertragsrecht). Auch wenn die Ausgabe eines Gutscheines die Interessen der Ticketerwerber zumindest teilweise befriedigen kann, klagen vermehrt Verbraucher über eine nicht zufriedenstellende Abwicklung durch große Tickethändler wie Eventim. Anfragen nach Rückerstattung oder wenigstens der Ausstellung eines Gutscheins werden laut Ausführungen der Betroffenen, entweder gar nicht beantwortet oder mit Standardschreiben um Zeitaufschub gebeten.

 

Verbraucher klagt auf Rückerstattung des Ticketpreises

Die Abwicklung hunderter von Anfragen ist ohne Frage mit einem großen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Dennoch sind auch die Ticket-Inhaber angesichts von Kurzarbeit und unsicherer Job- und Auftragslage mit Zukunftsängsten belastet. Je nach Veranstaltung kann eine Eintrittskarte auch mal mehrere hundert Euro kosten. Zwei Gerichtsverfahren vor dem AG Bremen und dem AG Frankfurt am Main könnten eine Verbesserung für die Situation von Ticketinhabern bedeuten, deren Veranstaltung aufrund der Corona-Krise abgesagt worden sind. Vor dem AG Bremen hatte der Inhaber von Konzertkarten auf Rückzahlung des Ticketspreises geklagt. Das Konzert sollte ursprünglich am 06.03.2020 stattfinden, wurde zunächst aufgrund einer Stimmbandentzündung des Künstlers auf den 09.04.2020 verschoben, sodann wegen der Bestimmungen zum Schutz vor der Weiterverbreitung des Corona-Virus auf Ende Oktober verlegt. Da auch Ende Oktober keine Konzerte gespielt werden durften, soll das Konzert voraussichtlich im Juni 2021 stattfinden. Der Kläger hatte die Eintrittskarten von einem Ticketzwischenhändler erworben. Zwischen dem Tickethändler und den Veranstaltern bestehen Kommissionsverträge. Der Händler verweigerte die Erstattung des Ticketpreises.

 

AG Bremen: Gutschein-Regelung nicht auf Tickethändler anwendbar

Das AG Bremen entschied zugunsten des Klägers und verpflichtete den Tickethändler zur Rückzahlung der Eintrittskosten. Nach Auffassung des Gerichts erfüllt ein Tickethändler nicht schon mit Übersendung oder Online-Übermittlung der Eintrittskarten seine kaufvertraglichen Pflichten. Vielmehr markiert dies nur den Gefahrenübergang und der Ticketverkäufer haftet ab dann dafür, dass es dem Käufer nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich wird an dem Konzert teilzunehmen. Zu der Gutscheinlösung der Bundesregierung führt das AG Bremen aus, dass dies ohnehin nur auf die in ihrer Existenz bedrohten Kulturveranstalter Anwendung finden kann und nicht auf einen Tickethändler, der als börsennotierter Konzern agiert. Der Tickethändler haftet im vorliegenden Fall in seiner Funktion als Vermittler auch im Verhältnis zum Kunden, da der Händler im vorliegenden Sachverhalt den Kaufpreis für sich vereinnahmt und somit das Kommissionsgeschäft zwischen Händler und Veranstalter das Verhältnis zwischen Händler und Kunden nicht betrifft.  Auch die gegenteiligen AGB des Ticketanbieters ändern an der Rechtslage nichts.

 

AG Frankfurt: Gutscheinlösung verlagert Insolvenzrisiko auf Verbraucher

In einem ähnlich gelagerten Fall hält das AG Frankfurt am Main die besagte Gutscheinlösungs-Regelung sogar für verfassungswidrig, hat das Verfahren ausgesetzt und die in Rede stehende Norm zur Prüfung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Konkret hält das AG Frankfurt die Norm für nicht vereinbar mit der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG und sieht einen Verstoß gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG. Die Gutscheinlösung stellt nach Auffassung des Gerichtes einen Eingriff in Eigentumsfreiheit dar, der verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. Nicht nur sei die Ausstellung eines Gutscheins eine besonders intensive Einschränkung, sondern bewirke neben einer zinslosen Stundung des Rückzahlungsanspruchs, dass das Insolvenzrisiko der Veranstalter auf den Gläubiger (also die Verbraucher) übertragen wird. Darüberhinaus hätten die Gläubiger keinerlei Absicherung, dass das Unternehmen zahlungsfähig ist, wenn sie den Gutschein schließlich einlösen wollen. Aus diesen Gründen kommt das Gericht zum dem Schluss die Gutscheinlösung sei nicht erforderlich. Vielmehr sollte der direkt Staat Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung der Veranstalter ergreifen. Zudem hält das AG Frankfurt die Regelung auch nicht für verhältnismäßig, da die Belastungen auf Seiten der Verbraucher deutlich intensiver seien, als auf Seiten der Verantstalter.

 

Vertrauensschutz und Rechtssicherheit tangiert

Abschließend hält das AG Frankfurt die Regelung zur Gutscheinlösung auch nicht mit dem Prinzip des Vertrauensschutz und der Rechtssicherheit vereinbar. Das Gericht räumt zwar ein, dass der Gesetzgeber dazu legitimiert ist die Rechtsordnung zu verändern und sich die Bürger gemäß der neuen Gesetze verhalten müssen. Jedenfalls könne dies aber nicht für die Fälle gelten, in denen rückwirkend neue Regelungen aufgestellt werden. Der Bürger habe hier gerade keine Chance sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen und wird nachträglich um seine Rechte beschränkt.

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Carl Christian Müller, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht