Kontaktpersonenquarantäne: Keine Erstattung der Lohnfortzahlung für Arbeitgeber

von Carl Christian Müller

Befand sich ein Mitarbeiter wegen des Kontakts zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person in Quarantäne, kann der Arbeitgeber in der Regel keine staatliche Erstattung der geleisteten Lohnfortzahlung und Sozialversicherungsbeiträge beanspruchen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden (Urteil vom 01.12.2022, Az. VG 14 K 631/20).

Konatkbeschränkungen wegen Corona
Foto: Kzenon/AdobeStock

Arbeitgeber vergleicht Corona mit Naturkatastrophe

Die Klägerin ist eine Ingenieursgesellschaft. Im Oktober 2020 befand sich einer ihrer Mitarbeiter aufgrund einer Anordnung des Gesundheitsamts für 15 Kalendertage in häuslicher Quarantäne, weil er – ohne selbst am Coronavirus erkrankt zu sein – Kontakt zu einer infizierten Person gehabt hatte. Die Klägerin leistete während dieses Zeitraums die Lohnzahlungen weiter und führte Sozialversicherungsbeiträge ab. Später beantragte sie beim beklagten Land Berlin deren Erstattung. Das Land lehnte diesen Antrag ab. Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie sei mit der Lohnfortzahlung für den Staat in Vorkasse gegangen und habe damit den Anspruch des Mitarbeiters gegen den Staat auf Quarantäneentschädigung erfüllt. Sie habe daher einen Anspruch auf Erstattung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes. Der Mitarbeiter habe keinen Lohnfortzahlungsanspruch gegen sie als Arbeitgeberin gehabt. Zwar sei sie arbeitsrechtlich grundsätzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wenn ein Mitarbeiter durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden zeitweise an der Dienstleistung verhindert werde. Jedoch handele es sich bei der Pandemie nicht um einen in der Person des Mitarbeiters liegenden Grund, sondern um einen mit einer Naturkatastrophe vergleichbaren Umstand. Außerdem sei eine Pflicht zur Lohnfortzahlung für 15 Tage unverhältnismäßig lang.

 

Die Rechtsnatur der Arbeitsleistung

Eine Vielzahl der deutschen Bürgerinnen und Bürger verdienen ihren Lebensunterhalt, indem sie als Arbeitnehmer für einen Arbeitgeber tätig sind. Der Arbeitsvertrag ist eine Unterform des Dienstvertrags (§ 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Der Arbeitnehmer ist zur Vorleistung verpflichtet, das heißt erst nach der getanen Arbeit muss der Arbeitgeber den vereinbarten Lohn zahlen. Gleichzeitig ist die Arbeitsleistung ein höchstpersönliches Geschäft, das absoluten Fixschuldcharakter hat. Nur der angestellte Arbeitnehmer selbst darf und muss die Arbeitsleistung in der vereinbarten Arbeitszeit erbringen. Arbeitet der Arbeitnehmer nicht, dann kann diese Arbeit nicht nachgeholt werden und der Arbeitgeber muss grundsätzlich ohne Arbeit keinen Lohn zahlen.

Lohn ohne Arbeit

Von diesem Grundsatz gibt es zum Schutz des Arbeitnehmers Ausnahmen. Dazu zählen:

  • die Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder aus persönlichen Gründen,
  • die Freistellung für Erholungsurlaub oder gesetzliche Feiertage,
  • ein Annahmeverzug oder das Betriebsrisiko des Arbeitgebers.

Persönliche Gründe liegen vor, wenn familiäre oder private Umstände, die Arbeit unzumutbar machen (bspw. Beerdigung eines nahen Verwandten oder die Erkrankung des eigenen Kindes). Annahmeverzug bedeutet, dass der Arbeitgeber trotz pünktlichem Erscheinen und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers die Arbeitsleistung ablehnt. Das Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber, wenn aufgrund äußerer Umstände (bspw. Stromausfall, Überschwemmung) keine Arbeit leistbar ist.

 

Quarantäne-Pflicht von persönlichen Kontakten abhängig

Das VG Berlin hat die Klage abgewiesen. Der Mitarbeiter habe keinen Verdienstausfall erlitten, der im Wege der Entschädigung bzw. Erstattung geltend gemacht werden könnte, weil die Klägerin aus dem Arbeitsvertrag zur Lohnfortzahlung verpflichtet gewesen sei. Die Voraussetzungen eines erkrankungsunabhängigen Lohnfortzahlungsanspruchs hätten vorgelegen, weil der Grund seines Fehlens in seiner Person gelegen habe. Abzustellen sei nicht auf die Pandemie an sich, sondern auf den konkreten Kontakt des Mitarbeiters zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person und die darauffolgende Quarantäne, die auf dem personenbezogenen Ansteckungsverdacht beruht habe. Jedenfalls bei einem länger andauernden, unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis sei eine Lohnfortzahlung für die Dauer der Inkubationszeit des Coronavirus von etwa 14 Tagen auch angemessen.

Gegen das Urteil ist die von der Kammer wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassene Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.

Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin vom 12. Dezember 2022

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Carl Christian Müller, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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