Fahrradkurier kann Smartphone und Fahrrad vom Arbeitgeber verlangen

von Carl Christian Müller

Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat über die Klage eines Fahrradkuriers eines Lieferdienstes entschieden. Der Auslieferer, der Bestellungen von Essen und Getränken bei Restaurants abholt und zu den Kunden bringt, hat gefordert, dass ihm für seine Tätigkeit ein Fahrrad und ein Smartphone zur Verfügung gestellt wird. Er sei nicht verpflichtet, sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Smartphone einschließlich des erforderlichen Datenvolumens für die Internetnutzung zu verwenden, wenn er arbeite. Der Kläger hatte mit seiner Klage Erfolg, ebenso ein Kollege, der vom Lieferdienst nur verlangte, ihm für die Auslieferungen ein Smartphone zu stellen (Az. 14 Sa 306/20 und 14 Sa 1158/20).

Foto: SFIO CRACHO/AdobeFotostock

Verwendung der Lieferdienst-App ist obligatorisch

Beide Fahrradlieferanten sind Arbeitnehmer des Lieferdienstes. In ihren Arbeitsverträgen ist bestimmt, dass sie während der Einsätze Ausstattung („Equipment“) des Lieferdienstes benutzen, wofür ein Pfand von 100 € einbehalten wird, wie in einem separaten Vertrag geregelt. Zu diesem Equipment gehören weder das Fahrrad noch ein Smartphone. Ein Smartphone ist notwendig, weil die App des Lieferdienstes verwendet werden muss. Die Fahrer sind nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, nur auf Fahrrädern in verkehrstauglichem Zustand zu fahren. Außerdem können sie – was nicht im Arbeitsvertrag geregelt wurde – je gearbeiteter Stunde ein Guthaben von 0,25 € für Fahrradreparaturen bei einem Vertragspartner ihres Arbeitgebers abrufen.

 

LAG: Unangemessene Benachteiligung der Fahrradkuriere

Die 14. Kammer des LAG hat durch Urteile vom 12. März 2021 den Fahrradlieferanten im Berufungsverfahren Recht gegeben. Die Klagen waren von dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main in erster Instanz abgewiesen worden (Urteile vom 29.01.2020, Az. 2 Ca 5722/19; 29.06.2020, Az. 21 Ca 5470/19).

Die Arbeitsverträge der Fahrradlieferanten seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu überprüfen. Die Regelung, dass Fahrrad und Smartphone ohne finanziellen Ausgleich selbst mitgebracht werden müssten, benachteilige nach der konkreten Vertragsgestaltung die Lieferfahrer unangemessen. Betriebsmittel und deren Kosten seien nach der gesetzlichen Wertung vom Arbeitgeber zu stellen. Er trage auch das Risiko, wenn diese nicht einsatzfähig seien. Damit müsse der Lieferdienst Fahrrad bzw. Smartphone zur Verfügung stellen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist zugelassen worden. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

 

Quelle: Pressemitteilung des LAG Hessen vom 24. Juni 2021

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