Rentennähe geht zu Lasten des Arbeitnehmers
Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat die Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers anhand der in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG bzw. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO genannten Kriterien zu erfolgen. Bei der Gewichtung des Lebensalters kann hierbei zu Lasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, dass er bereits eine (vorgezogene) Rente wegen Alters abschlagsfrei bezieht. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer rentennah ist, weil er eine solche abschlagsfreie Rente oder die Regelaltersrente spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen kann. Lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen darf insoweit nicht berücksichtigt werden.
Klägerin kann nach der Kündigung eine Altersrente beziehen
Die 1957 geborene Klägerin war seit 1972 bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schloss der zum Insolvenzverwalter bestellte Beklagte mit dem Betriebsrat einen ersten Interessenausgleich mit Namensliste, der die Kündigung von 61 der 396 beschäftigten Arbeitnehmer vorsah. Als zu kündigende Arbeitnehmerin war die Klägerin in der Namensliste genannt. Mit Schreiben vom 27.03.2020 kündigte der beklagte Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2020. Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Der beklagte Insolvenzverwalter ist der gegenteiligen Ansicht. Die Klägerin sei in ihrer Vergleichsgruppe – auch in Bezug auf den von ihr benannten, 1986 geborenen und seit 2012 beschäftigten Kollegen – sozial am wenigsten schutzwürdig. Sie habe als einzige die Möglichkeit, ab 01.12.2020 und damit zeitnah im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis eine Altersrente für besonders langjährig Beschäftigte (§§ 38, 236b SGB VI) zu beziehen. Aus diesem Grund falle sie hinter alle anderen vergleichbaren Arbeitnehmer zurück.