Soldaten halten Verpflichtung zur Impfung für rechtswidrig
Gegenstand dieser Anträge nach der Wehrbeschwerdeordnung ist eine Allgemeine Regelung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 24.11.2021, mit der die Schutzimpfung gegen Covid-19 in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten verbindlichen Basisimpfungen aufgenommen worden ist. Die beiden Antragsteller haben vorgetragen, die Impfung mit den von der Bundeswehr verwendeten mRNA-Impfstoffen sei rechtswidrig und greife in unzumutbarer Weise in ihre Rechte ein. Die mit den Impfstoffen verbundenen Risiken stünden außer Verhältnis zu deren Nutzen.
BVerwG befragt Experten zur Sicherheit der Impfung
Der 1. Wehrdienstsenat des BVerwG hat die Allgemeine Regelung zur Durchführung der Covid-19-Impfung als anfechtbare dienstliche Maßnahme i.S. des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO angesehen, weil sie für die ausführenden Truppenärzte und Disziplinarvorgesetzten bindend ist und unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsposition der betroffenen Soldaten hat. Er hat darum die Einwände gegen die Covid-19-Impfung an vier Verhandlungstagen erörtert und inhaltlich überprüft. Dabei sind neben Sachverständigen der Antragsteller und der Bundeswehr auch Fachleute des Paul-Ehrlich- und Robert-Koch-Instituts angehört worden.
Soldaten müssen ihre Einsatzfähigkeit erhalten
Im Ergebnis hat sich die Allgemeine Regelung als formell und materiell rechtmäßig erwiesen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Regelung in einem ordnungsgemäßen Verfahren erlassen und insbesondere die Soldatenvertretungen beteiligt. Es war im Rahmen der ihm zustehenden Weisungsbefugnis nach § 10 Abs. 4 SG berechtigt, nach pflichtgemäßen Ermessen den Kreis der notwendigen Schutzimpfungen durch Verwaltungsvorschrift festzulegen. Denn das Soldatengesetz enthält in § 17a SG eine ausdrückliche Regelung darüber, dass jeder Soldat verpflichtet ist, sich im Interesse der militärischen Auftragserfüllung gesund zu erhalten und dabei ärztliche Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten gegen seinen Willen zu dulden. Dies hat seinen Grund darin, dass der militärische Dienst seit jeher durch die Zusammenarbeit in engen Räumen (Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen), durch Übungen und Einsätze in besonderen naturräumlichen Gefährdungslagen und durch das Gemeinschaftsleben in Kasernen das besondere Risiko der Verbreitung übertragbarer Krankheiten mit sich bringt. Das Gesetz erwartet, dass jeder Soldat durch die Duldung von Schutzimpfungen zu seiner persönlichen Einsatzfähigkeit und damit zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr (Art. 87a GG) insgesamt beiträgt. Die Erhaltung der eigenen Einsatzfähigkeit ist eine zentrale Dienstpflicht im hoheitlichen Dienst- und Treueverhältnis des Soldaten (Art. 33 Abs. 4 GG)
Ermessen des Dienstherrn die Impfungen auszuwählen
Die gesetzliche Ausgestaltung der Duldungspflicht genügt auch dem rechtsstaatlichen Gebot, dass der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Denn er hat die Reichweite des Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in allgemeiner Weise hinreichend klar bestimmt und auf zumutbare Eingriffe begrenzt. Die genaue Festlegung der im Einzelnen hinzunehmenden Impfungen und zu verwendenden Impfstoffe konnte er dem Dienstherrn überlassen, weil die Soldatinnen und Soldaten abhängig von ihrem Einsatzort im In- und Ausland unterschiedliche Impfungen benötigen. Außerdem erfordern etwa das Auftreten neuer Krankheitserreger oder das Bekanntwerden neuer Nebenwirkungen von Impfstoffen eine flexible und schnelle Entscheidungsfindung.