Hund gebissen: Besitzer erhält Schadensersatz

von Carl Christian Müller

Der Halter eines angeleinten Weimaraners muss sich die eigene sog. Tiergefahr nicht schadensmindernd anrechnen lassen, wenn sein Hund ohne vorheriges auffallendes Verhalten von einem sich losreißenden Rottweiler gebissen wird. Die Tiergefahr des Halters des Weimaraners tritt vollständig hinter die Tiergefahr des Halters des Rottweilers zurück, betonte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) und bestätigte die landgerichtliche Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz (Beschluss vom 25.8.2022, Az. 11 U 34/21).

Hunde im Auslauf
Foto: Rita Kochmarjova/Adobe Stock

Kläger verlangt Ersatz für tierärztliche Betreuung des Hundes

Der Kläger ging Anfang März 2018 gegen 20 Uhr mit seinem Weimaraner Rüden in der Umgebung von Mainz spazieren. Er begegnete der Beklagten und ihrem Rottweiler. Ob der Rottweiler den Weimaraner biss, ist zwischen den Parteien streitig. Im Anschluss an die Begegnung wurde der klägerische Hund über einen Monat hinweg tierärztlich behandelt. Der Kläger verlangt nunmehr Ersatz der Tierarztkosten in Höhe von knapp 3.000 EUR, 1.000 EUR Schmerzensgeld sowie Verdienstausfall infolge der Betreuung des Hundes, insgesamt gut 5.000 EUR. Er behauptet, der Rottweiler habe sich losgerissen, ihn umgeworfen und seinen Hund durch Bisse in den Hals verletzt. Die Beklagte behauptet, die jeweils angeleinten Hunde hätten lediglich kurze Zeit „Schnauze an Schnauze“ gestanden.

 

Halter des Rottweilers haftet für Schäden

Das Landgericht Wiesbaden hat der Klage in Höhe von 3.017,17 EUR stattgegeben (Urteil vom 26.03.2021, Az. 4 O 83/19). Das OLG Frankfurt am Main maß der hiergegen von der Beklagten eingelegten Berufung keinen Erfolg zu. Das LG Wiesbaden habe auf Grundlage der Parteiangaben und des eingeholten Sachverständigengutachtens für das Berufungsverfahren bindend eine Haftung der Beklagten über die Grundsätze der Tierhalterhaftung angenommen. Der Rottweiler habe den Weimaraner angegriffen. Der Weimaraner habe keine aggressiven Handlungen ausgeführt; insbesondere habe er nicht vor der Attacke gebellt.

 

Tierhalter aufgepasst: Verschuldensunabhängige Haftung

Die Haltung eines Haustieres, wie Hund, Katze, Pferd oder Nagetier, ist eine wohltuende Freizeitbeschäftigung. Wer jedoch ein solches Tier hält, eröffnet dadurch eine Gefahrenquelle und ist dazu verpflichtet seine Mitmenschen und das Eigentum Dritter vor Schäden zu bewahren. Tierhalter ist in diesem Zusammenhang die Person, die für die Rechnungen des Tieres im eigenen Interesse aufkommt und das Bestimmungsrecht hinsichtlich des Aufenthaltes des Tieres hat. Es muss sich zudem eine tierspezifische Gefahr realisiert haben. Das ist der Fall, wenn beispielsweise Hunde bellen, knurren, beißen oder Pferde scheuen, rennen oder austreten. Wichtig ist zu beachten, dass es auf kein Verschulden des Tierhalters ankommt. Unabhängig davon, ob der Tierhalter vorsätzlich oder fahrlässig sein Tier nicht ausreichend beaufsichtigt hat: Schädigt das Tier eine andere Person oder beschädigt fremdes Eigentum, haftet der Tierhalter. Auf ein Verschulden des Halters kommt es ausnahmsweise an, wenn das Tier beruflichen Zwecken dient.

 

Rottweiler griff Weimeraner an

Der Kläger müsse sich auch keine eigene Tierhaftung des verletzten Weimeraners schadensmindernd anrechnen lassen. Vielmehr trete diese Tiergefahr, so das OLG; hinter die des Rottweilers vollständig zurück. Die Tiergefahr des Rottweilers überwiege die des Weimaraners schon deshalb, da dieser den Weimaraner angegriffen habe. Weiter vertieft das OLG: „Hinzu kommt, dass es sich (nur) bei dem Rottweiler um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 2 Abs. 1 der hessischen Hundeverordnung handelt, der Hund also schon grundsätzlich als mensch- bzw. tiergefährdend anzusehen ist“. Soweit die Beklagte den Charakter des Hundes als ungefährlich „gutmütig“ und „lieb“ beschrieben habe, stehe das im Widerspruch zum streitgegenständlichen Vorfall. Schließlich erlange Bedeutung, dass nur die Beklagte und nicht der Kläger die Kontrolle über das jeweils geführte Tier verloren hätten. Die Beklagte sei damit der nach der Verordnung bestehenden Verpflichtung, das Tier so zu führen, dass von ihm keine Gefahr für Leben oder Gesundheit für Menschen oder Tiere ausgehe, nicht gerecht geworden. „Es wäre Sache der Beklagten (...) gewesen, jedes Zulaufen des Rottweilers auf den Kläger und seinen Hund zu verhindern“, betont das OLG abschließend.

Die Berufung wurde auf diesen Hinweisbeschluss hin zurückgenommen. Das landgerichtliche Urteil ist damit rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt vom 1. November 2022

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Carl Christian Müller, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht