Haftung für fehlerhafte Produkte: Lieferant als Hersteller bei Markennennung

von Carl Christian Müller

Zur Gewährleistung des Verbraucherschutzes kann die gesamtschuldnerische Haftung des Lieferanten und des tatsächlichen Herstellers des fehlerhaften Produkts auch dann geltend gemacht werden, wenn dieser Lieferant seinen Namen, seine Marke oder ein anderes Erkennungszeichen nicht selbst auf diesem Produkt angebracht hat.

Verkaufsgespräch im Autohaus
Foto: Seventyfour/AdobeStock

Haftungsfrage bei Fahrzeugfehler

Im Juli 2001 erwarb ein Verbraucher ein Auto der Marke Ford von der Vertragshändlerin Stracciari, die Fahrzeuge dieser Marke in Italien verkauft. Das Fahrzeug war von der Ford WAG, einem in Deutschland ansässigen Unternehmen, hergestellt und der Vertragshändlerin dann über Ford Italia geliefert worden, die Fahrzeuge der Marke Ford in Italien vertreibt. Im Dezember 2001 hatte der Verbraucher einen Unfall, bei dem der Airbag nicht funktionierte. Daraufhin erhob er gegen die Vertragshändlerin und Ford Italia Klage auf Ersatz der aufgrund des Fehlers des Fahrzeugs erlittenen Schäden. Ford Italia trug vor, nicht für die Fehlerhaftigkeit des Airbags zu haften, da sie das Fahrzeug nicht hergestellt habe.

Zweifel zur Herstellerdefinition: Lieferant als 'Hersteller' im Sinne der Produkthaftungsrichtlinie

Der italienische Kassationsgerichtshof hat Zweifel hinsichtlich der Auslegung der Definition des Begriffs des „Herstellers“ in der Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte1. Er möchte vom Gerichtshof wissen, ob der Lieferant eines fehlerhaften Produkts auch dann als „Person, die sich als Hersteller ausgibt“ im Sinne dieser Richtlinie anzusehen ist, wenn er zwar nicht physisch seinen Namen auf dem Produkt angebracht hat, aber die Marke, die der Hersteller auf dem Produkt angebracht hat und die dem Namen dieses Herstellers entspricht, mit einem Erkennungszeichen des Lieferanten übereinstimmt.

Übereinstimmung von Erkennungszeichen: Auch ein Lieferant kann als 'Hersteller' haften

Der Gerichtshof stellt fest, dass die in der Richtlinie enthaltene Wendung der „Person, die sich als Hersteller ausgibt“, nicht nur die Person erfasst, die ihren Namen physisch auf dem Produkt angebracht hat, sondern auch den Lieferanten einschließen muss, wenn sein Name oder eines seiner Erkennungszeichen mit dem Namen des Herstellers und dem Namen, der Marke oder einem anderen Erkennungszeichen auf dem Produkt übereinstimmt. In beiden Fällen nutzt der Lieferant nämlich diese Übereinstimmung, um sich dem Verbraucher als für die Qualität des Produkts Verantwortlicher zu präsentieren und ein Vertrauen bei ihm hervorzurufen, das mit dem vergleichbar ist, das er hätte, wenn das Produkt unmittelbar vom Hersteller verkauft würde. Schlösse die Wendung diese zweite Personengruppe nicht ein, würde die Bedeutung des Begriffs des „Herstellers“ geschmälert und das mit der Richtlinie verfolgte Ziel, insbesondere der Verbraucherschutz, beeinträchtigt. Der Gerichtshof fügt hinzu, dass der Unionsgesetzgeber zur Gewährleistung des Verbraucherschutzes darauf geachtet hat, dass die Haftung „jeder Person, die sich als Hersteller ausgibt“, in gleicher Weise wie diejenige des „tatsächlichen“ Herstellers ausgelöst wird. Überdies muss es dem Verbraucher freistehen, jeden von ihnen unterschiedslos für den vollen Ersatz des Schadens in Anspruch zu nehmen, da es sich um eine gesamtschuldnerische Haftung handelt. Der Verbraucherschutz wäre nicht ausreichend, wenn der Händler den Verbraucher auf den Hersteller „verweisen“ könnte, der dem Verbraucher möglicherweise nicht bekannt ist.

Quelle: Pressemitteilung Gerichtshof der Europäischen Union, Luxemburg, 19. Dezember 2024