Facebook identifiziert Fotos als „Ausbeutung von Kindern“
Der Kläger hatte neun Fotos von weiblichen Personen über den Messenger Dienst Von Facebook (Beklagte) weitergeleitet. Die von der Beklagten eingesetzte Software „PhotoDNA“ identifizierte diese Fotos als „Child Exploitative Imagery“ (CEI), als ausbeuterische Bilder von Kindern. Daraufhin wurde das Konto des Klägers bei der Beklagten dauerhaft gesperrt. Die Beklagte teilte dem Kläger erst zeitgleich mit der Deaktivierung mit, dass sein Konto gesperrt werde. Der Kläger beschwerte sich daraufhin bei der Beklagten und ein Mitarbeiter der Beklagten überprüfte die Fotos und bestätigte den CEI-Inhalt der Bilder.
Anhörung vor außerordentlicher Kündigung war entbehrlich
Der Kläger vertrat die Ansicht, er hätte vor der Sperrung seines Kontos angehört werden müssen. Die Fotos habe er von Freunden erhalten und er könne sich nicht vorstellen, dass diese unerlaubtes Material versendeten. Außerdem habe er die Fotos nicht öffentlich, sondern lediglich im Rahmen eines privaten Gesprächsverlaufs versandt.
Den Argumenten des Klägers ist das LG München entgegengetreten. Die außerordentliche Kündigung ist wirksam, eine vorherige Anhörung des betroffenen Klägers war in diesem Fall entbehrlich.
Streitgegenständliche Fotos zeigen kinderpornografische Inhalte
Nach der vollen Überzeugung der erkennenden Kammer beinhalten die vom Kläger versandten streitgegenständlichen Fotos Inhalte, die pornografische und damit ausbeuterische Darstellungen von Minderjährigen enthielten. Es ist nicht erkennbar oder auch nicht vorgebracht worden, dass sich sowohl die Software als auch der konkret ein-gesetzte Mitarbeiter beim Abgleich der streitgegenständlichen Fotos mit den bekannten CEI-Inhalten geirrt hätten.
In rechtlicher Hinsicht führte die Kammer aus, das vertragliche Nutzungsvertragsverhältnis zwischen den Parteien sei auf Dauer angelegt und könne daher gemäß § 314 BGB bei Vorliegen eines wichtigen Grundes außerordentlich und ausnahmsweise ohne vorherige Anhörung gekündigt werden.
Zur Begründung des Urteils hat die Kammer umfassend abgewogen.
Ohne Facebook kein Kontakt zu Freunden und Familie
Nach eigener Aussage nutzte der Kläger sein Konto bei der Beklagten ausschließlich zu privaten Zwecken, insbesondere um Kontakt mit Freunden und Familie zu halten. Durch die Sperrung war ihm die elektronische Kommunikation zu Freunden und Familie mittels der Dienste der Beklagten nicht mehr möglich. Der Wechsel zu einem Netzwerk eines anderen Betreibers könne mit dem Verlust von Kontakten verbunden sein. Auch verfüge die Beklagte über eine bedeutende Markt- und soziale Macht. Durch die Deaktivierung seines Kontos sei der Kläger zudem zumindest abstrakt daran gehindert, mittels den Diensten der Beklagten seine Meinung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG kundzutun – auch wenn in der Vergangenheit nicht erkenntlich gewesen sei, dass er das Netzwerk dazu tatsächlich genutzt habe. Die Versendung der streitgegenständlichen Fotos stelle jedenfalls keine Meinungsäußerung dar.
Berufsfreiheit ist gegenüber Meinungsfreiheit abzuwägen
Demgegenüber habe die Beklagte ein geschäftliches Interesse daran, den Nutzern ihrer Dienstleistungen ein sicheres Kommunikationsumfeld und ihren Werbekunden ein attraktives Werbeumfeld zu bieten. Für diese Tätigkeit könne sie sich auf die auch für sie geltende Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG berufen. Weiterhin sei auch zugunsten der Beklagten das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zu berücksichtigen, da diese Vorschrift auch den Kommunikationsprozess als solchen schütze, den die Beklagte als Betreiberin eines Netzwerkes, der dem Austausch von Meinungen dient, unterstütze. Durch die Pflicht der Nutzer, die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards zu beachten, werde zudem das auf die Einhaltung der Mitgliedsbedingungen gerichtete Interesse anderer Nutzer geschützt. Bei der erforderlichen Abwägung der Grundrechtspositionen seien daher auch die Persönlichkeitsrechte der anderen Nutzer zu berücksichtigen. Schließlich obliege es der Beklagten im Eigeninteresse, Beiträge mit strafbaren oder rechtsverletzenden Inhalten zu entfernen oder zu sperren. Das in Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards genannte Verbot von Fotos mit CEI-Inhalten, welches die Beklagte mit ihrer Kündigung gegenüber dem Kläger durchsetzt, diene nicht nur dem Schutz einer sicheren Kommunikationsumgebung, sondern auch und insbesondere dem Schutz von Kindern und Jugendlichen. Aufgrund der besonders vulnerablen Stellung von Kindern und Jugendlichen komme der Verhinderung ihrer Ausbeutung ein ungemein hoher Stellenwert. Reflektiert werde diese Priorität durch die Straftatbestände in § 184b StGB und § 184c StGB, die die Verbreitung, den Erwerb und Besitz kinder- und jugend-pornographischer Inhalte unter Strafe stellten. Um die Verbreitung von Inhalten mit CEI-Inhalt auf dem sozialen Netzwerk der Beklagten nachhaltig zu unterbinden, sei es ein probates Mittel, bei einem Verstoß gegen das Verbot der Verbreitung das Konto des betroffenen Nutzers zu sperren und das Vertragsverhältnis zu kündigen.
Besonderes Interesse an sofortiger Beendigung
Im entschiedenen Fall habe die Beklagte ein besonderes Interesse an einer sofortigen, nicht durch eine Fristsetzung oder Abmahnung verzögerten Beendigung des Vertragsverhältnisses gehabt. Der Kläger habe über den Messenger Dienst der Beklagten Fotos mit CEI-Inhalt versandt. Gerade durch die digitale Verbreitung solcher Inhalte bestehe die Gefahr der multiplen Weiterverbreitung. Nur durch eine sofortige Kündigung des Nutzungsverhältnisses sei es der Beklagten möglich, sicherzustellen, dass der Kläger die streitgegenständlichen Fotos nicht weiterverbreite. Der Kläger habe die Möglichkeit, die er vorliegend genutzt habe, die Kündigung nachträglich anzugreifen und spätestens im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens die Gründe für die Sperrung anzugreifen und sich hierzu Gehör zu verschaffen.
Der Beklagten sei es angesichts dieser Situation nicht zuzumuten gewesen, das Vertragsverhältnis mit dem Kläger aufrechtzuerhalten.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des LG München vom 2. Februar 2022