Prostitution berührt in besonderem Maße die Intimsphäre
Das Erbringen sexueller Dienstleistungen kann als selbständige Tätigkeit ein EU-Aufenthaltsrecht in Deutschland vermitteln. Es berührt jedoch in besonderer Weise die Intimsphäre und damit die Menschenwürde der Prostituierten und ist grundsätzlich unzumutbar. Das Aufgeben der Prostitution stellt deshalb keine freiwillige, selbstverschuldete Beendigung der Erwerbstätigkeit im Sinne der Vorschriften zum EU-Freizügigkeitsrecht dar.
Selbständige EU-Bürger können Jobcenter-Leistungen beziehen
Bürgerinnen und Bürger aus der Europäischen Union dürfen sich zwar zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten. Sie sind jedoch von Jobcenter-Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht nur auf diese Arbeitsuche stützt. Wer hingegen als Arbeitnehmer oder Selbständiger aufenthaltsberechtigt ist, kann aufstockend Leistungen beziehen. Das Aufenthaltsrecht besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit fort, sofern die Arbeitslosigkeit unfreiwillig eingetreten ist bzw. die Beendigung der selbständigen Tätigkeit auf Umständen beruht, die die selbständige Person nicht maßgeblich beeinflussen kann und die es ihr unmöglich oder unzumutbar machen, die Tätigkeit fortzuführen. Vor diesem Hintergrund kommt es vor den Sozialgerichten immer wieder zum Streit zwischen Jobcentern und Personen aus der EU um Umfang und Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen und selbständigen Tätigkeiten und um die Umstände, die zu deren Ende geführt haben.
Klägerin gibt nach Schwangerschaft ihr Gewerbe auf
Die 1990 geborene bulgarische Klägerin kam 2014 nach Berlin und war hier steuerlich gemeldet sowie auf dem Straßenstrich als selbständige Prostituierte tätig. Im Juli 2019 gab sie die Tätigkeit auf, da sie mit ihrem zweiten Kind schwanger war und die Tätigkeit für sich als nicht mehr zumutbar empfand. Bis September 2020 bezog sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom beklagten Jobcenter Berlin Lichtenberg. Eine Weiterbewilligung lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, die Klägerin habe nur noch ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und sei deshalb vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Es fehle insbesondere an einer unfreiwilligen Arbeitsaufgabe, da sie sich bewusst und freiwillig entschieden habe, sich beruflich neu zu orientieren. Hiergegen hat die Klägerin im November 2020 Klage erhoben.