Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen
Am 23.04.2021 trat das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage non nationaler Tragweite (sog. "Bundesnotbremse") in Kraft und sah zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie eine Reihe von Maßnahmen vor, wie etwa nächtliche Ausgangssperren (22:00 - 5:00 Uhr) oder die Einschränkungen von privaten und öffentlichen Zusammenkünften. Diese Maßnahmen konnten bundeseinheitlich ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 verhängt werden, das heißt sobald die Anzahl der Neuinfektionen mit SARS-Cov-2 je 100 000 Einwohner an drei aufeinander folgenden Tagen den Schwellenwert von 100 überschreitet. Bei Verstoß gegen die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen konnte ein Bußgeld verhängt werden. Die streitentscheidende Norm (§ 28 Abs. 1 IfSG) lief am 30.06.2021 aus. Gegen die Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren und damit einhergehenden Bußgeldbewehrungen sind in diversen Fällen Verfassungsbeschwerde erhoben worden.
Eingriff in Bewegungsfreiheit und freie Entfaltung der Persönlichkeit
Wie die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichtes ausführten, greifen die Maßnahmen in erheblicher Weise in verschiedene Grundrechte ein.
Ab einer Inzidenz von 100 waren private und öffentliche Zusammentreffen nur noch dann zulässig, wenn maximal die Angehörigen eines Haushaltes plus eine weitere Person zusammenkamen. Gemäß der Ausführungen des BVerfG greift diese Maßnahme in das Ehe- und Familiengrundrecht (Art. 6 Abs. 1 GG) und in das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) ein. Grundsätzlich habe nämlich jeder das Recht sich mit Familienmitgliedern und Angehörigen in selbstbestimmter Weise zu treffen und Zeit zu verbringen. Darüber hinaus schütze Art. 2 Abs. 1 GG auch das Recht sich in vergleichbarer Weise mit nicht verwandten Personen zu treffen, zu denen aber eine familienähnliche Verbindung bestehe. Außerdem dürfe keine Person zur Einsamkeit gezwungen werden, sondern Menschen überhaupt begegnen zu können, sei gerade für die Persönlichkeitsentwicklung von "konstituierender Bedeutung", erklärte das BVerfG.
Was die nächtlichen Ausgangssperren betrifft, sah das Bundesverfassungsgericht einen Eingriff in die tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit gegeben (Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG). Grundsätzlich werde die Freiheit der Personen geschützt, sich rein tatsächlich frei auf dem Bundesgebiet bewegen zu können, jedoch könne dieses Grundrecht nicht uneingeschränkt gewährleistet werden, erklärten die Karlsruher Richterinnen und Richter.
BVerfG: Maßnahmen sind verfassungsgemäß
Wie das Bundesverfassungsgericht nunmehr entschied, waren diese Maßnahmen verhältnismäßig, sodass das Gericht sämtliche Verfassungsbeschwerden zurückwies. Nach Auffassung des obersten Verfassungsgerichtes waren die Kontaktbeschränkungen Teil eines Schutzkonzeptes des Gesetzgebers, welches dem "Lebens- und Gesundheitsschutzes" sowie der "Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems" als "überragend wichtige Gemeinwohlbelange" diente. Damit sind die Beschränkungen in Anbetracht der "äußersten Gefahrenlage der Pandemie" trotz der intensiven Eingriffe in die oben genannten Grundrechte verhältnismäßig und demnach mit dem Grundgesetz vereinbar, erklärten die Richter und Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts. Zudem hatte der Bund auch die Gesetzgebungskompetenz, um ein Gesetz, wie das der sog. "Bundesnotbremse", zu beschließen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG).
Über die Rechtmäßigkeit der Schließung von Ladengeschäften, Kultur-, Freizeit- und Sporteinrichtungen, Restaurants und Gaststätten hat das BverfG dagegen nicht entschieden. Dies deshalb, weil die hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zulässig waren.