Legal-Tech-Plattform lässt sich Rechte abtreten und fordert Miete zurück
Die Klägerin ist als Inkassodienstleisterin zugelassene Legal-Tech-Plattform. Sie fordert aus dem abgetretenen Recht des Mieters auf Grundlage der „Mietpreisbremse“ überhöht gezahlte Miete zurück. Da diese Tätigkeit hier jedoch als Mittel zum Zweck der Durchsetzung der „Mietpreisbremse“ und nicht als „eigenständige“ Inkassotätigkeit im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes zu bewerten sei, könne die Klägerin dafür keine Vergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) verlangen und daher auch nicht von der Vermieterin einklagen, erklärte das Landgericht Berlin.
"Mietpreisbremse" wirksam - Überhöhte Monatsmiete muss zurückgezahlt werden
In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit hatte das Amtsgericht Charlottenburg über eine Klage zu entscheiden, in der unter anderem eine Auskunft über vergangene Mieterhöhungen und Modernisierungen, die Rückzahlung einer überhöhten Monatsmiete sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gefordert wurden. Das Amtsgericht wies die Klage vollständig ab. Die Legal-Tech-Plattform legte daraufhin Berufung ein. Das Landgericht Berlin hat die Auskunftsansprüchen ebenfalls abgewiesen, aber der Klage auf Rückzahlung einer überhöhten Monatsmiete im Ergebnis stattgegeben. Wie der vorsitzende Richter ausführte, habe das Landgericht bereits in anderen Verfahren entschieden, dass die gesetzlichen Vorschriften über die „Mietpreisbremse“ einschließlich der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung wirksam seien und daher der überhöhte Teil der Monatsmiete zurückzuzahlen sei.
Außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten dürfen nicht geltend gemacht werden
Das Landgericht Berlin führte zudem aus, dass der vom Mieter an die Legal-Tech-Plattform erteilte Auftrag zur Durchsetzung der „Mietpreisbremse“, auch wenn er die Rückforderung einer vom Mieter gezahlten überhöhten Monatsmiete umfasst, nicht mehr als „eigenständige“ Inkassodienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) bewertet werden könne. Aus diesem Grund könne die Klägerin für diese Tätigkeit auch keine Vergütung nach dem RVG – im konkreten Fall vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 534,31 Euro nebst Zinsen – beanspruchen.
BGH legt Begriff "Inkassotätigkeit" weit aus
Wie der vorsitzende Richter erklärte, folge das Landgericht zwar der Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) in dessen Urteil vom 29. November 2019 (VIII ZR 285/18), wonach der Begriff der Inkassotätigkeit weit auszulegen sei, um neuen Berufsbildern nicht von vorne herein den Weg zu verstellen und den Bereich der Rechtsberufe sowie der freien Berufe zu entbürokratisieren und zu liberalisieren.
Auftrag geht über die Forderung von Zahlungsansprüchen hinaus
Im hier zu entscheidenden Fall sei aber angesichts des Auftrags der Klägerin und des „Mietsenkung beauftragen“-Buttons auf der Webseite der Legal-Tech-Plattform, das Interesse des Mieters nicht darauf gerichtet gewesen, überhöht gezahlte Miete zurück zu erlangen, also Zahlungsansprüche durchzusetzen, erklärte das Gericht. Vielmehr habe die Klägerin dem Mieter versprochen, seine Rechte aus den gesetzlichen Vorschriften über die „Mietpreisbremse“ nach Kräften durchzusetzen und die Vermieterin dazu zu bringen, die vertraglich vereinbarte Miete auf das gesetzlich zulässige Maß zu reduzieren. Auch die Vergütung der Klägerin habe nicht etwa vom Gesamtbetrag der insgesamt erfolgreich zurückgeforderten Mietzahlungen, sondern vom Jahresbetrag der durchzusetzenden Mietreduzierung abhängen sollen.
Tätigkeit der Legal-Tech-Plattform dient der Anspruchsabwehr
Genau wie die Abwehr einer ungerechtfertigten Mieterhöhung, die auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keine Inkassodienstleistung darstellt, könne dementsprechend die Rückforderung einer überhöhten Miete nicht als „eigenständige“ Inkassodienstleistung angesehen werden, erklärte das Landgericht. Vielmehr diene dieses Vorgehen der Anspruchsabwehr. In der mündlichen Urteilsbegründung ergänzte das Gericht zudem, dass eine Konkretisierung des RDG durch den Gesetzgeber erforderlich sei. Der Gesetzgeber müsse regeln, ob auch solche weiter gehenden Tätigkeiten, wie das der Klägerin im vorliegenden Fall, noch als zulässige Inkassodienstleistung bewertet werden solle oder nicht.
Revision vor dem Bundesgerichtshof ist zugelassen
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Landgericht Berlin hat die Revision zum Bundesgerichtshof mit der Begründung zugelassen, dass sie mit ihrem Urteil von der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs abweiche. Eine Revision kann beim Bundesgerichtshof innerhalb von einem Monat ab förmlicher Zustellung des Urteils eingelegt werden.
Quelle: Pressemitteilung LG Berlin vom 29. April 2020