Frau stirbt nach Spuck-Angriff eines Corona-Infizierten

von Carl Christian Müller

In London infizierten sich zwei Bahnmitarbeiterinnen mit dem Corona-Virus, nachdem sie von einem unbekannten erkrankten Mann bespuckt worden waren. Eine der Frauen verstarb im Krankenhaus an den Folgen von Covid-19. Dieser Fall wirft Fragen um die Strafbarkeit des Angreifers auf - kommt Totschlag oder Mord in Betracht?

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Mann schreit, "Ich hab Corona!" und spuckt Mitarbeiterinnen ins Gesicht

Dem britischen Guardian zufolge arbeiteten die beiden Ticketverkäuferinnen in der Bahnhofshalle der Londoner Victoria Station, als ein Mann auf sie zu trat. Dieser soll geschrien haben, er habe Corona, um in Anschluss die Bahnmitarbeiterinnen zu bespucken. Beide Frauen wurden kurze Zeit später positiv auf Covid-19 getestet. Eine der Frauen litt vor ihrer Corona-Erkrankung an Atemwegsinfektionen und verstarb 14 Tage nach der Erkrankung im Krankenhaus. Beiden Mitarbeiterinnen war es von Arbeitgeberseite aus nicht gestattet worden eine Schutzmaske bei der Arbeit zu tragen.

 

Spucken als Tathandlung für Totschlag oder Mord

Auch wenn sich der Sachverhalt in London zugetragen hat, ist es ebenso in Deutschland relevant über die Strafbarkeit von Spuck-Attacken durch einen Corona-Infizierten nachzudenken. Zumal vergleichbare Fälle in deutschen Städten seit März auftreten, in denen Passanten oder Polizisten bespuckt worden sind. Im deutschen Strafrecht werden die Tötungsdelikte im Strafgesetzbuch geregelt und in Totschlag, Mord und Fahrlässige Tötung differenziert. Zunächst ist für alle drei Straftatbestände eine Tötungshandlung erforderlich, die auch kausal sowie objektiv zurechenbar für den Tod einer Person ist. Im Fall der Londoner Bahnmitarbeiterin müsste das Bespucken diese Tötungshandlung darstellen. Die Spucke des Angreifers enthielt das Covid19-Virus, an dem die Frau erkrankte, woraufhin sie verstarb. Das Bespucken kann also durchaus eine Handlung darstellen, die verantwortlich für den Tod einer Person sein kann.

 

Beurteilung des Vorsatzes problematisch

Problematischer ist die Beurteilung der Motivation des mutmaßlichen Täters. Der Tatbestand des Totschlags sowie des Mordes sind erst erfüllt, wenn der Täter seine Tötungshandlung vorsätzlich vorgenommen hat. Ob eine Person vorsätzlich gehandelt hat, bedarf immer der Einzelfallbetrachtung. Jedenfalls ist für einen bedingten Vorsatz zumindest erforderlich, dass eine Person weiß, dass ihr eigenes Handeln den Tod einer anderen Person zur Folge haben kann und diese Möglichkeit auch akzeptiert hat. Im Vorliegenden Fall wusste der unbekannte Mann von seiner Erkrankung, immerhin hat er zuvor gerufen: "Ich habe Corona!". Die Ansteckung mit dem Virus dürfte vorhersehbar sein. Fraglich ist allerdings, ob Spuckende vorhersehen können oder damit rechnen müssen, dass die bespuckte Person nicht nur erkrankt, sondern an den Folgen einer Corona-Erkrankung sterben könnte. Während die Übertragung des Virus über Speichel sehr wahrscheinlich ist, ist prozentual gesehen der Anteil an Menschen, die an Corona sterben, gering. Ob eine Person zur Risikogruppe zählt, ist von außen nicht zwangsläufig feststellbar.

 

Wie steht es um den Vorsatz, wenn ich an Corona zweifle?

Denkt man an die aktuellen so genannten "Hygiene-Demos", zweifeln die Teilnehmer dieser Versammlungen die Existenz oder die Gefährlichkeit des Corona-Virus insgesamt an. Diese Personen dürften sich beim Bespucken von anderen Menschen keineswegs vorstellen, dass jemand durch dieses Verhalten sterben könnte. Ganz im Gegenteil: Es geht um den Gegenbeweis, dass Corona nicht tödlich ist. Fällt in solchen Konstellationen der Vorsatz demnach weg, bleibt allenfalls eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung. Aufgrund der medialen Berichterstattung gebietet es die allgemeine Sorgfaltspflicht, ob eine Person an den Corona-Virus "glaubt" oder nicht, soziale Kontakte zu vermeiden. Eine fahrlässige Begehung einer Tötung kann demnach nicht pauschal ausgeschlossen werden. Das Bespucken anderer Leute ist auch ohne die Gefahr einer Krankheitsübertragung sowieso keine freundliche Geste.

 

Verwirklichung von Mordmerkmalen im Londoner Spuck-Fall

Für einen Totschlag durch Bespucken wäre also eine ganze Reihe an inneren Einstellungen und gegebenenfalls Wissen um den Gesundheitszustand einer Person erforderlich, um eine vorsätzliche Tötungshandlung bejahen zu können. Ob der Vorsatz nun tatsächlich beim Täter vorliegt und inwiefern sich das vor einem Gericht beweisen ließe, ist dann wiederum eine ganz andere Frage. Die Erfüllung des Mord-Tatbestandes setzt darüber hinaus noch die Erfüllung eines Mordmerkmals voraus, die in drei Gruppen in § 211 des Strafgesetzbuches aufgezählt sind. Dazu zählen beispielsweise eine grausame oder heimtückische Tötung sowie das Töten aus niederen Beweggründen, aus Mordlust oder aus Habgier. Inwiefern ein Mordmerkmal vom Täter verwirklicht worden ist, ist von der Tatbegehung sowie von der dahinter liegenden Motivation abhängig. Aus Mordlust tötet beispielsweise wer Freude an der Tötungshandlung oder an der Vernichtung von Menschenleben hat. Zu niederen Beweggründen zählen auch rassistische Tötungs-Motive. Ob eines dieser Merkmale im vorliegenden Fall verwirklicht wurde, kann bei der derzeitigen Informationslage nicht beantwortet werden. Fest steht nur, dass der unbekannte Täter von seiner Erkrankung wusste und zwei Bahnmitarbeiterinnen bespuckte.

 

Mord, Totschlag und Fahrlässige Tötung in Spuck-Fällen möglich

Abschließend lässt sich festhalten, dass in einer Fall-Konstellation wie das Bespucken einer Person mit folgender Corona-Erkrankung sowie Tod des Opfers, einen Totschlag, einen Mord oder eine fahrlässige Tötung darstellen kann. Welches Tötungsdelikt begangen wurde hängt dabei ganz maßgeblich von den Tatumständen und der Motivation des Opfers hat. Wusste der Täter, dass sein Opfer zu einer Risikogruppe gehörte und kam es dem Täter auch genau darauf an diesen Umstand auszunutzen? Ist der Täter davon überzeugt, dass das Corona-Virus gar nicht existiert oder nur eine wenig risikoreiche Erkältungskrankheit darstellt? All das ist zu berücksichtigen für die strafrechtliche Beurteilung solcher Vorfälle.

 

 

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Carl Christian Müller, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht