LAG Köln: Telefonsex-Freiberufler können angestellt sein

von Carl Christian Müller

Das LAG Köln entschied in zwei Beschlüssen vom 25.08.2020 (Az. 9 Ta 217/19, 9 Ta 98/20), dass Telefonsexdienstleisterinnen dann als angestellte Arbeitnehmerinnen gelten, wenn sie durch die einseitige Steuerung und Kontrolle der Betriebsabläufe in einer Weise ihrer Selbstständigkeit beraubt werden, die über die mögliche Einflussnahme bei einem freien Dienstvertrag hinausgeht.

Foto: mariesacha/AdobeFotostock

Ein Kölner Unternehmen bot in dessen Geschäftsräumen sexuelle Dienstleistungen im Schichtbetrieb an 365 Tagen im Jahr und 24 Stunden am Tag, durchgeführt von Telefonistinnen, die als freiberufliche Mitarbeiterinnen geführt wurden, an.

Die Telefonistinnen konnten ihre Arbeitszeiten in den Dienstplan eintragen und mussten jeweils ein monatliches Entgelt i.H.v. 50 EUR für die Nutzung eines ca. sechs bis acht Quadratmeter großen Raumes mit Tisch, Stuhl, Computer und drei Telefonen zahlen. Aus einem von dem Unternehmen zur Verfügung gestellten Pool wählten die Telefonistinnen einen Alias-Namen und Fotos, die auf der Internet-Seite der Beklagten veröffentlicht wurden. Die Telefonate wurden mitgeschnitten und die Tätigkeit durch eine an der Decke befestigte Videokamera aufgezeichnet. Das dienstliche Verhalten und die Beziehung zu den Kunden wurden von der Beklagten in vielfältiger Hinsicht mitgestaltet.

Prozessvorgang

Das von den Klägerinnen u.a. wegen diverser Zahlungsansprüche angerufene Arbeitsgericht hatte die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerinnen verneint und die Rechtsstreite an das Landgericht verwiesen. Auf die Beschwerden der Klägerinnen hat das Landesarbeitsgericht die Verweisungsbeschlüsse abgeändert und den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht, da die Klägerinnen als Arbeitnehmerinnen anzusehen seien. Die Beklagte habe sowohl durch die Audio- und Videoüberwachung als auch durch die Einbindung in ihre Arbeitsorganisation eine für selbständige Freiberuflerinnen wichtige Marktpräsenz der Klägerinnen verhindert. Die Klägerinnen hätten keinen von der Beklagten unabhängigen Kundenstamm aufbauen können, da sie nach außen nicht unter eigenem Namen, sondern bildlich und namentlich unter einem Alias-Profil aufgetreten seien. Die auf die vorbeschriebene Weise sowie die weiteren Beschäftigungsmodalitäten vermittelte Fremdbestimmung der Klägerinnen überlagere die Umstände, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen könnten.

Die Entscheidungen sind unanfechtbar.

Quelle: Pressemitteilung des LAG Köln v. 31.08.2020

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