Vertrieb von Cheat-Software: BGH legt dem EuGH Fragen vor

von Carl Christian Müller

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 23.03.2023 über die urheberrechtliche Zulässigkeit des Vertriebs von Software zu entscheiden, die dem Nutzer das Manipulieren des auf einer Spielkonsole ablaufenden Programms ermöglicht, sogenannte "Cheat-Software" (Az. I ZR 157/21).

Mann spielt am Computer
Foto: Drobot Dean/AdobeStock

Software umgeht Beschränkungen von Spielen

Die Klägerin vertreibt als exklusive Lizenznehmerin in ganz Europa Spielkonsolen und Computerspiele hierfür. Bei den Beklagten zu 1 und 2 handelt es sich um Unternehmen einer Unternehmensgruppe, die Software entwickelt, produziert und vertreibt, insbesondere Ergänzungsprodukte zu den Spielkonsolen der Klägerin. Der Beklagte zu 3 ist Director der Beklagten zu 2. Mit der Software der Beklagten konnten Nutzer von Spielkonsolen der Klägerin bestimmte Beschränkungen in Computerspielen der Klägerin umgehen, zum Beispiel in einem Rennspiel die Beschränkung der Verwendbarkeit eines "Turbos" oder der Verfügbarkeit von Fahrern. Dies bewirkten die Softwareprodukte der Beklagten, indem sie Daten verändern, die die Spiele der Klägerin im Arbeitsspeicher der Spielkonsole ablegen. Die Klägerin rügt, dass dies eine unzulässige Umarbeitung ihrer Computerspiele im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG darstelle.

 

LG Hamburg stellt Urheberrechtsverletzung fest

Das Landgericht Hamburg hat der auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klage überwiegend stattgegeben (Urteil vom 24.01.2012, Az. 310 O 199/10). Indem die Nutzer mittels der Software der Beklagten durch externe Befehle in den Programmablauf der Computerspiele der Klägerin eingriffen und diesen veränderten, werde das Computerprogramm der Klägerin umgearbeitet. Es mache weder aus Benutzer- noch aus Urhebersicht einen Unterschied, ob eine Veränderung des Programmablaufs durch die Veränderung der Spielsoftware oder aber durch Veränderung von Daten im Arbeitsspeicher erreicht werde.

 

Software greift lediglich in den Ablauf ein

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Hamburg das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 07.10.2021, Az. 5 U 23/12). Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht Hamburg zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Hamburg hat angenommen, es fehle an einer Umarbeitung eines Computerprogramms im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG. Die Software der Beklagten greife lediglich in den Ablauf der Computerspiele der Klägerin ein, indem sie die im Arbeitsspeicher der Spielkonsole abgelegten Daten verändere, nicht aber die Computerbefehle selbst. Der programmgemäße Ablauf eines Computerprogramms gehöre aber nicht zum Schutzgegenstand von § 69a UrhG. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Gerichtsverfahren vor dem EuGH: Das Vorabentscheidungsverfahren

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahren über die generelle Anwendbarkeit des EU-Rechtes und prüft zudem, ob eine nationale Regelung oder eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt mit dem EU-Recht vereinbar ist. Die nationalen Gerichte der Mitgliedsstaaten können immer dann den EuGH anrufen, wenn es über die europarechtskonforme Auslegung einer nationalen Norm unsicher ist oder es in Frage steht, ob das EU-Recht im vorliegenden Fall überhaupt Anwendung finden kann. Die letztinstanzlichen Gerichte, das ist in Deutschland etwa der Bundesgerichtshof (BGH), sind in diesem Zusammenhang sogar verpflichtet dem EuGH das Verfahren bei Unklarheiten vorzulegen. Der EuGH prüft dann ausschließlich, ob die nationale Norm oder ein Akt der öffentlichen Gewalt gegen europäisches Recht verstößt.

Vorlage an den EuGH

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung folgender Fragen vorgelegt:

  1. Wird in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/24/EG eingegriffen, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?
  2. Liegt eine Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG vor, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 23. Februar 2023

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Carl Christian Müller, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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