Fehlender Link auf OS-Plattform abgemahnt
Im Berufungsverfahren vor dem OLG Frankfurt hatte die Klägerin eine Reisebüro-Betreiberin abgemahnt, weil diese auf ihrer Internetseite zur Vermittlung von Reisen nicht auf die Streitschlichtungsplattform der EU Kommission (OS-Plattform) verwiesen hatte. Die Klägerin verlangte in der Abmahnung, die Einfügung eines Links auf die OS-Plattform (Unterlassung des Nicht-Hinweisens) und die Erstattung der Abmahnungs-Kosten. Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main hatte die Klage auf Unterlassung und Kostenerstattung in der Vorinstanz unter anderem mit der Begründung abgewiesen, dass es an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zwischen den streitenden Parteien und damit an einer Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche ermangelt (Az. 3-6 O 16/19). Gegen dieses Urteil hat die Klägerin vor dem OLG Frankfurt am Main Berufung eingelegt.
Klägerin kann Wettbewerbsverhältnis nicht nachweisen
Die Klägerin hat sich zunächst gegen die Einschätzung des LG Frankfurt am Main gewandt, nicht in einem Wettbewerbsverhältnis mit der Beklagten, zur Online-Vermittlung von Reisen, zu stehen. Nach Auffassung der Klägerin ist das das Vor- oder Nichtvorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses für die Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit einer Abmahnung nicht zu berücksichtigen. Dagegen führte das OLG Frankfurt am Main aus: "Für die Frage des Rechtsmissbrauchs kommt es entscheidend darauf an, ob eine Serienabmahnung von sachfremden Motiven getragen ist. Dafür kann es sprechen, wenn der Abmahnende bei objektiver Betrachtung kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Unterbindung der beanstandeten Rechtsverstöße hat und die massenhafte Abmahnung von Mitbewerbern für seine Marktstellung nicht von Bedeutung ist". Davon ausgehend kam das Gericht zu dem Schluss, dass das Wettbewerbsverhältnis im vorliegenden Fall sehr wohl zu berücksichtigen ist. Die Klägerin habe aber nur vage Angaben zu ihrer Tätigkeit auf dem Reisemarkt getätigt, indem sie Unterlagen vorlegte, in denen Vertragspartner und weitere Angaben geschwärzt waren. Das OLG Frankfurt am Main hielt davon ausgehend eine ausreichende Prüfung eines Wettbewerbsverhältnisses nicht für möglich.
Massenabmahnungen allein - Schon rechtsmissbräuchlich?
Ferner berief sich die Klägerin auf eine Entscheidung des BGH "Abmahnaktion II" (Az. I ZR 248/16). Die Klägerin legte das höchstrichterliche Urteil so aus, dass kumulativ (das bedeutet zwei oder mehrere Voraussetzungen müssen gemeinsam vorliegen) zu einer massenhaften Abmahnpraxis diese Merkmale zur Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit vorliegen müssen:
- kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Rechtsverfolgung sowie
- im Verhältnis zum Jahresgewinn des Abmahnenden die Abmahnung von Mitbewerbern mit existenzsbedrohendem Aufwand verfolgt wird.
Dieser Auslegung widersprach das OLG Frankfurt am Main und stellte fest, dass regelmäßig von einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung auszugehen ist, wenn alle vorgenannten Voraussetzungen vorliegen, aber eben nicht immer alle Merkmale erfüllt sein müssen. Vielmehr bedürfe es einer Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls. Allein eine hohe Anzahl von Abmahnung innerhalb eines Jahres könne schon einen Missbrauch indizieren. Der BGH hatte in seiner Entscheidung einen Sachverhalt mit 150 Abmahnungen in einem Jahr vorliegen, im Fall vor dem OLG Frankfurt ging es sogar um 243 Abmahnungen innerhalb eines Jahres. Zusätzlich merkt das OLG Frankfurt an, dass die angegriffenen Verstöße im Internet leicht ermittelbar waren und die Verstöße der Reisebüro-Betreiberin die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin nicht nennenswert beeinträchtigen. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Hinweispflicht auf die OS-Plattform nach EU-Recht als "wesentlich" einzustufen sei.
Marktbereinigungsinteresse nur vorgeschoben
Zudem wies das OLG Frankfurt den Einwand der Klägerin, wenn sich viele Mitbewerber unlauter verhalten, müssten eben viele abgemahnt werden , zurück. Das Marktbereinigungsinteresse sei nur vorgeschoben, da die abgemahnten Verstöße die Klägerin kaum in ihrer Geschäftstätigkeit behindern und sich die Abmahnungen auch nicht auf solche Unternehmen beschränken, mit denen die Klägerin in intensivem Wettbewerb stünden. Auch der Hinweis der Klägerin es seien nicht nur fehlende Links zur OS-Plattform abgemahnt worden, sondern auch fehlende Datenschutzerklärungen und Impressumsangaben sowie rechtswidrige AGB-Klauseln bei Mitbewerbern bemängelt worden, vermag nach Auffassung des Gerichts die Abmahnpraxis der Klägerin nicht zu rechtfertigen. Es handele sich bei diesen ebenso um Formalverstöße, die leicht über das Internet zu recherchieren seien und ebenso wenig geeignet seien, die Klägerin in ihrer unternehmerischen Tätigkeit zu beeinträchtigen.
Aus diesen Gründen hat das OLG Frankfurt die Klage zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens sind von der Klägerin zu tragen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Neues Gesetz soll rechtsmissbräuchliche Abmahnungen verhindern
Im September diesen Jahres hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs verabschiedet. Ziel dieses Gesetzes ist es, zukünftig Massenabmahnungen und rechtsmissbräuchliche Abmahnungen zu verhindern. Dies soll unter anderem dadurch realisiert werden, dass sich massenweise ausgesprochene Abmahnungen finanziell gesehen nicht mehr lohnen, indem die Erstattung der Kosten einer Abmahnung nicht mehr ohne weiteres von der abgemahnten Partei verlangt werden kann. Ein ausführlichen Bericht zu diesem Gesetz können Sie hier bei uns nachlesen.