Zur Frage 1: Wann haften Eltern für die Rechtsverletzungen ihrer noch minderjährigen Kinder?
In dem vom OLG Köln zu beurteilenden Fall hatte nach den Feststellungen des Gerichts der damals dreizehnjährige Sohn der Beklagten die Urheberrechtsverletzung begangen, die das OLG Köln den Eltern im Ergebnis wegen der Verletzung der ihnen obliegenden Aufsichtspflichten (§ 832 Abs. 1 BGB) zugerechnet hat. Die Eltern hatten ihrem Sohn einen gebrauchten PC mit Standardprogrammen von Microsoft-Office überlassen und zuvor eine Windows-XP-Firewall als auch ein Securityprogramm installiert, welches seinerseits im Hinblick auf die Installation weiterer Programme auf "keine Zulassung" gestellt und durch ein Administratorpasswort gesichert war. Die Beklagten hatten zudem vorgetragen, den PC des Sohnes monatlich überprüft zu haben. Diese Maßnahmen hielt das OLG Köln zwar grundsätzlich für ausreichend, um den Aufsichtspflichten zu entsprechen, jedoch in dem zu beurteilenden Fall nicht für hinreichend umgesetzt, da es dem Sohn trotz der Sicherungsmaßnahmen gelungen war, Filesharingprogramme zu installieren. Dass dies von den Beklagten nicht bemerkt worden sei, sei ein deutliches Indiz dafür, dass die Kontrollen nicht sorgfältig durchgeführt worden seien.
Zur Frage 2: Wie hoch ist der Schadensersatz für einen Musiktitel zu bemessen?
Zu diesem Punkt fällt das Urteil aus Sicht vieler Betroffener enttäuschend aus. Im Verlauf des Verfahrens hatte das OLG Köln mit Hinweisbeschluss vom 30.09.2011 noch die Auffassung vertreten, dass die bisherige Praxis der Rechteinhaber, zur Berechnung des angeblich ihnen durch Filesahring entstehenden Schadens auf den GEMA-Tarif VR W I zurückzugreifen, nach dem eine Mindestlizenz von 100,00 EUR je Titel für bis zu 10.000 Abrufe vorgesehen ist, nicht sachgerecht sei, da dieser Tarif für das Streamen und nicht für den Upload von Inhalten gelte. Im Hinweisbeschluss hatte das OLG Köln daher den GEMA-Tarif VR-OD 5 herangezogen, der u. a. die Nutzung einzelner Titel durch Internet-Downloads regelt. Nach diesem Tarif beläuft sich die Mindestvergütung auf nur 0,1278 € pro Zugriff. Da sich die Höhe der Lizenz nach diesem Tarif also über die konkreten Zugriffszahlen berechnet, hatte das OLG Köln den Rechteinhabern mit dem Hinweisbeschluss aufgegeben, konkrete Zahlen vorzulegen und die Anzahl der Zugriffe auf den über die Tauschbörse angebotenen Titel mitzuteilen.
Hiervon sind die Kölner Richter im Urteil nun wieder abgerückt. Das Urteil bezieht sich nun auf eine von den Klägern vorgelegte Rahmenvereinbarung, nach der der Tonträgerindustrie von legalen Downloadplattformen wie iTunes zwischen 0,50 EUR und 0,92 EUR für den einzelnen Zugriff gezahlt wird. Die Kläger hatten insofern vorgetragen, dass in Peer-to-Peer-Netzwerken an keiner Stelle protokolliert würde, wie viele Zugriffe auf die zum Download bereit gestellten Titel erfolgten und aus diesem Grunde nicht gesagt werden könne, um wie viel Zugriffe es sich in dem konkreten Fall handele. Das OLG Köln ließ es daher ausreichen, dass die Kläger vortrugen, in welcher Größenordnung Zugriffe erfolgt sein könnten und machten folgende Rechnung auf: Lege man mit 0,50 EUR den geringsten Betrag der erwähnten Rahmenvereinbarung zu Grunde, so ergebe sich die Klageforderung der Höhe nach bereits dann, wenn auf die jeweiligen Titel 400 mal illegal zugegriffen worden sei. Es sei indes davon auszugehen, dass auch bei Zugrundelegung gebotener Abschläge jedenfalls in dieser Größenordnung Zugriffe erfolgt seien.
Diese Ausführungen sind wenig überzeugend. Wenn das OLG Köln zunächst meint, es sei niemanden möglich darzulegen, wie viele Zugriffe auf den konkreten Titel erfolgt sind, wie kommt es dann darauf, dass die in Rede stehenden Titel mindestens 400 Mal abgerufen wurden? Immerhin ist es nicht vollständig auszuschließen, dass der jeweilige Titel nur einmal, nämlich durch das von der Rechteinhaberin zur Überwachung der Tauschbörsen eingesetzten Unternehmen, abgerufen wurde.
Das OLG Köln hat die Revision zum BGH zugelassen.
Update: Der BGH hat die Sache mit Urteil vom 15.11.2012 entschieden: der BGH verneinte - anders als das OLG Köln - die Haftung bereits dem Grunde nach, da die Eltern in ausreichendem Maße über die mit der Internetnutzung verbundenen Gefahren von Rechtsverletzungen belehrt hatten. Eine abschließende Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzes war in diesem Fall daher obsolet.
Update: Das OLG Köln hat in einem Beschluss vom 15.01.2013 weitere Ausführungen zur Schadensberechnung bei Abmahnungen wegen Filesharings gemacht.
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