Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Von dem Telefonanschluss der Anschlussinhaberin wurde angeblich mittels einer Filesharingsoftware ein Film im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Die mit der Abmahnung geforderte Unterlassungserklärung gab die Anschlussinhaberin nicht ab. Die Rechteinhaber beauftragte darauf hin beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung, die zunächst erging. Darauf hin beantragt die Anschlussinhaberin die einstweilige Verfügung wieder aufzuheben. Sie und ihr Ehemann legten eidesstattliche Versicherungen vor, mit denen sie darlegten, dass nur sie und ihr Ehemann und unter Aufsicht auch ihre Kinder Zugang zu ihrem Internetanschluss hätten. Zudem sei zwar ein passwortgeschütztes W-LAN-Netzwerk aktiviert, welches sie aber nicht nutze. Außerdem befände sich auf dem passwortgeschützten PC keine Musik oder Filme, geschweige den eine Tauschbörsen-Software.
Diese Erklärungen waren für das Gericht ausreichend, um die geltend gemachten Ansprüche des Rechteinhabers zurückzuweisen. Zwar wies das Gericht darauf hin, dass die Ermittlung der Anschlussinhaberdaten im Regelfall fehlerfrei sei und es im bei den eidesstattlichen Erklärungen der Anschlussinhaberin und deren Familie durchaus Angriffspunkte gebe, da diese nahezu zu perfekt auf die Behauptung der Rechteinhaberin angepasst seien. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Verantwortlichkeit für den Urheberrechtsverstoß könne jedoch nicht angenommen und die zuvor erlassene einstweilige Verfügung müsse daher aufgehoben werden.
Da das landgericht Hamburg sich sehr ausführlich mit den Argumenten und der Glaubwürdigkeit des Voirtrages der Anschlussinhaberin und der abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen beschäftig hat, sollen nachfolgend die Entscheidungsgründe des Urteils abgebildet werden:
Entscheidungsgründe:
I. Aufgrund des Ergebnisses der Widerspruchsverhandlung ist die einstweilige Verfügung aufzuheben und der ihrem Erlass zugrundeliegende Antrag zurückzuweisen. Denn die Antragsgegnerin hat im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast einen Sachverhalt vorgetragen und glaubhaft gemacht, aufgrund dessen sie weder Täterin der geltend gemachten Rechtsverletzung ist noch als Störerin für die Rechtsverletzung einzustehen hat, und die Antragstellerin ist ihrer sich daraus ergebenden Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast im Hinblick auf einen eine Passivlegitimation begründenden Sachverhalt nicht nachgekommen.
1. Der Vortrag der Antragsgegnerin, sie selbst benutze keine Filesharingsoftware und sie habe die Datei des streitgegenständlichen Films nicht öffentlich zugänglich gemacht, schließt inhaltlich ihre Täterschaft aus. Sie hat dazu eine eigene eidesstattliche Versicherung vorgelegt und die eidesstattliche Versicherung ihres Ehemannes bestätigt ihren Vertrag insoweit, als sich auch nach dieser keine Filesharingsoftware auf dem von ihm und er Antragsgegnerin gemeinsam genutzten PC befand.
2. Aus dem weiteren Vortrag der Antragsgegnerin folgt ein Sachverhalt, der inhaltlich auch ihre Haftung als Störer ausschließt. Danach fehlt es zunächst bereits an einer widerrechtlichen Rechtsverletzung durch einen anderen Täter, für welche die Antragsstellerin als Störer einzustehen hätte.
a) Die eidesstattliche Versicherung ihres Ehemannes bestätigt den Vortrag, dass dieser die Rechtsverletzung nicht begangen hat. Das wird durch die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin bestätigt, dass sich keine Filesharingsoftware auf den von ihr und den Ehemann gemeinsam genutzten PC befand.
b) Die eidesstattliche Versicherung der Antragsgegnerin und deren Ehemann bestätigen den Vortrag der Antragsgegnerin, dass den beiden jüngeren Kindern die Internetnutzung über den PC der Eltern nur zu schulischen Zwecken und ausschließlich in Gegenwart eines Elternteils gestattet sei und dass diesen Kindern Passworte und WLAN-Verschlüsselung nicht bekannt seien. Das indiziert zusammen mit der Erklärung, dass sich keine Filesharingsoftware auf dem PC befand und die Datei des streitgegenständlichen Films nicht öffentlich zugänglich gemacht worden sei, dass selbstverständlich auch die Kinder die Rechtsverletzung nicht in Gegenwart der Eltern begangen haben.
c) Den eidesstattlichen Versicherungen der Antragsgegnerin, des Ehemannes und der Töchter A und B zufolge nutzen beide den PC der Eltern, der allein über den Internetanschluss der Antragsgegnerin läuft, gar nicht und beide kennen auch das Passwort für PC sowie die WLAN-Verschlüsselung nicht. Demgemäß haben danach auch diese beiden Töchter die Rechtsverletzung nicht begangen.
d) Mit den eidesstattlichen Versicherungen der Antragsgegnerin, ihres Ehemannes sowie ihres Bruders und ihrer Schwägerin wird weiter bestätigt, dass die Antragsgegnerin, ihr Ehemann und die beiden kleineren Kinder am Tattage, dem 04.02.2010, von 17 Uhr bis 22 Uhr außer Haus bei ihrem Bruder und ihrer Schwägerin gewesen seien und dass, so die Antragsstellerin und ihr Ehemann, der elterliche Computer beim Verlassen des Hauses und bei der Rückkehr ausgeschaltet gewesen sei. Das schließt inhaltlich eine Täterschaft des Ehemannes und der beiden jüngeren Kinder aus.
3. Der Vortrag der Antragsgegnerin genügt der dieser obliegenden sekundären Darlegungslast. Sie ist danach nicht passivlegitimiert.
a) Der Vortrag der Antragsgegnerin erscheint plausibel. Die nach den Erfahrungen der Kammer aus vergleichbaren Rechtsstreiten eher stark eingeschränkte PC-Nutzung durch andere Haushaltsmitglieder wird nachvollziehbar damit erläutert, dass eines der Kinder in der Vergangenheit in einer Dialer-Falle getappt sei, was eine hohe Telefonrechnung zur Folge hatte. Bei der älteren Tochter A wird zusätzlich deren Desinteresse an Computer- und Internetnutzung angeführt, bei der Tochter B die Nutzung eines eigenen Notebooks mit eigenem UMTS-Zugang über X.
b) Allerdings gibt es auch Umstände, die gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrages sprechen könnten.
So sind die Ermittlungsvorgänge im Hinblick auf die Verletzung bis hin zur Anschrift der Antragsgegnerin im Regelfall fehlerfrei. Entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin gilt das auch für die Ermittlung der IP-Adressen. Hier ist die aus dem zum Verletzungszeitpunkt gefertigten Screenshot (Anlage ASt. 4) ersichtliche IP-Adresse identisch mit der, die Gegenstand der Auskunft des Providers war (ASt. 8). Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, dass bereits ein Abweichen der Zeiterfassung der Ermittler der Antragsstellerin und des Zugangsproviders zu einer falschen Zuordnung der IP-Adresse führen kann, hätte das vorliegend keine Relevanz. Denn nach Darstellung der Antragsgegnerin war der PC zur Tatzeit um 18:52 Uhr schon seit 2 Stunden und auch noch 3 Stunden später ausgeschaltet gewesen (außer Haus bei ihrem Bruder und ihrer Schwägerin). Solche Zeitdifferenzen sind aber auszuschließen. Im Regelfall fehlerfrei bedeutet aber gleichwohl, dass es auch Ausnahmen gibt. So können in der Tat Fehlerquellen bei der Ermittlung sicherlich nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Aus der Vielzahl der bei der Kammer in den letzten Jahren anhängigen vergleichbaren Verfahren ist auch einer mit einer falschen Zuordnung eines Anschlussinhabers durch den Provider bekannt, die aber im Nachhinein vom Provider korrigiert wurde. Insgesamt spricht dennoch eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Ermittlungen bis hin zum Anschlussinhaber.
Der Vortrag der Antragsgegnerin und die Mittel der Glaubhaftmachung sind weiter fast zu perfekt zugeschnitten auf den Verletzungsvorwurf der Antragsstellerin. Er enthält auch durchaus Angriffspunkte. Die Antragsstellerin und ihr Ehemann bestätigen sich wechselseitig, dass der Computer nur von ihnen zum Online-Banking und für den privaten Handel auf der Auktionsplattform Ebay genutzt werde und sich darauf zu keinem Zeitpunkt eine Tauschbörsensoftware installiert oder betrieben worden sei. Ein Vortrag dazu, ob und inwieweit ein wechselseitiges Kontrollieren stattfindet im Hinblick darauf, dass der jeweils Andere sich tatsächlich auf Online-Banking und Ebay-Handel beschränkt, wenn er alleine am PC sitzt, fehlt allerdings. Auch fehlt Vortrag dazu, ob und wie das Nichtvorhandensein einer Tauschbörsensoftware festgestellt worden ist. Sollten die Antragsgegnerin oder ihr Ehemann tatsächlich ohne Wissen des anderen an einer „Tauschbörse“ teilgenommen und den streitgegenständlichen Film heruntergeladen haben, dann dürfte sich der Link zu der Datei sicherlich nicht auf dem Desktop befunden haben, sondern an besser verborgener Stelle. Dabei geht es hier nicht um Kontrollpflichten, sondern um die Bestätigung des Handelns des Anderen aus eigenem Wissen. Auch erscheint es nicht ohne weiteres nachvollziehbar, dass beide, Antragsgegnerin und Ehemann, sich am 04.02.2010 vor der Abfahrt zu Bruder und Schwägeri und bei der Rückkehr darüber vergewissert haben, dass der PC abgeschaltet war.
c) Die Glaubwürdigkeit der von der Antragsgegnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung kann anders als bei Zeugenaussagen wegen des fehlenden persönlichen Eindrucks von den versichernden Personen nur eingeschränkt beurteilt werden. Sicherlich ist zu berücksichtigen, dass alle Personen Angehörige der Antragsgegnerin sind und von daher ein Motiv haben, ihr in diesem Verfahren zu helfen. Das trägt aber keinesfalls die Schlussfolgerung, dass die eidesstattlichen Versicherungen deshalb falsch sind.
d) Bei zusammenfassender Würdigung vermag die Kammer nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit von einem Sachverhalt auszugehen, welcher eine Passivlegitimation der Antragsgegnerin begründet.
Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Antragsgegnerin entgegen ihrer eidesstattlichen Versicherung und der ihres Ehemannes Täterin oder Mittäterin der Rechtsverletzung ist, liegen nicht vor. Denkbar ist zwar, dass die Antragsgegnerin die Unwahrheit sagt und das der streitgegenständliche Film entweder im Einvernehmen mit ihrem Ehemann über eine Filesharingsoftware heruntergeladen worden ist oder dass sie das heimlich gemacht und vor ihrem Ehemann verborgen hat. Dann müsste allerdings hinzukommen, dass der PC entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin und ihres Ehemannes am 04.02.2010 kurz vor 19:00 Uhr online war. Diese Möglichkeit bleibt jedoch in Anbetracht dessen, dass es auch andere denkbare Möglichkeiten gibt, im Bereich des Spekulativen.
Die erste denkbare andere Möglichkeit ist, dass einer der wenn auch seltenen Fehler bei den Ermittlungen der Rechtsverletzung bis hin zum Anschluss der Antragsgegnerin aufgetreten ist. Aber auch wenn das nicht der Fall sein sollte, gibt es andere denkbare Möglichkeiten, die sich mit dem Ermittlungsergebnis der Antragstellerin vereinbaren lassen, ohne dass die Antragsgegnerin deshalb haftet.
So kann es trotz dargelegter ausreichender Verschlüsselung des WLAN dennoch zu einem WLAN-Missbrauch durch Entschlüsselung gekommen sein. Wäre es so, würde die Antragsgegnerin dafür wegen der dargelegten ausreichenden Verschlüsselung aber nicht haften.
Denkbar wäre auch, dass sich während der Abwesenheit der Eltern und der jüngeren Kinder am 04.02.2010 eine der älteren Töchter entgegen eigener Erklärung Zugang zu Passwort und PC verschafft und die Verletzung gegangen hat. Allerdings erscheint diese Möglichkeit auch schon deshalb nicht besonders wahrscheinlich, weil die Töchter nicht zu der typischen Nutzergruppe von Filmen wie den streitgegenständlichen Film gehören, Zudem würde eine Rechtsverletzung durch eine der beiden älteren Töchter wegen fehlender Verletzung von Prüfpflichten keine Störerhaftung der Antragsgegnerin begründen.
Zu der Ziel- und Hauptnutzergruppe von Film wie dem streitgegenständlichen gehören Männer. Daher würde der Ehemann der Antragsgegnerin von den Haushaltsangehörigen am ehesten als Täter in Frage kommen. Es erscheint auch unter Berücksichtigung der eidesstattlichen Versicherung der Antragsstellerin möglich, dass ihr Ehemann sich entgegen seiner Darstellung doch den streitgegenständlichen Film über eine Filesharingsoftware heruntergeladen und das vor ihr verborgen hat. Denn die Antragsgegnerin hat nicht dargelegt, ob und wie sie kontrolliert hat, was ihr Ehemann gemacht hat, wenn er alleine am PC saß. Andererseits hat der Ehemann an Eides statt versichert, die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben.
Zudem müsste der PC dann am 04.02.2010 kurz vor 19:00 Uhr online gewesen sein. Obwohl der Ehemann dreier weiterer eidesstattlicher Versicherungen zufolge von 17.00 Uhr bis 22 Uhr abwesend war. Auch das ist in Flatrate-Zeiten denkbar, bleibt aber unter Berücksichtigung anderer denkbarer Möglichkeiten noch in einem solchen Maße spekulativ, dass auch eine Täterschaf des Ehemannes nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Ob und inwieweit eine Ehefrau als Anschlussinhaberin gegenüber ihrem Ehemann Prüf- und Kontrollpflichten hat, kann danach dahinstehen.
e) Insgesamt erscheint ein eine Passivlegitimation der Antragsgegnerin begründeter Sachverhalt nicht überwiegend wahrscheinlich.
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