Was war geschehen?
In dem Fall, der in der ersten Instanz vor dem Amtsgericht Charlottenburg verhandelt wurde, hatte die Klägerin den Beklagten wegen einer vermeintlich von ihm begangenen Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen. Das Amtsgericht Charlottenburg hatte die Klage abgewiesen, da es die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe die Rechtsverletzung selbst begangen, als nicht erwiesen ansah. Die Klägerseite war mit dem abweisenden Urteil alles andere als zufrieden und legte Berufung ein, sodass sich das Landgericht Berlin in der zweiten Instanz mit dem Fall zu beschäftigen hatte.
Was entschied nun das Landgericht Berlin?
Das Landgericht bestätigte das Urteil der vorangegangenen Instanz und stellte fest, dass den Anschlussinhaber bezüglich der ihm zu Last gelegten Rechtsverletzung lediglich eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast treffe. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedeutet dies, dass der Anschlussinhaber vortragen muss, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang soll der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet sein (BGH, Urteil vom 8. 1. 2014 - I ZR 169/12 – BearShare). Das Landgericht Berlin sieht diese Verpflichtung aber nicht so weitgehend, dass der Anschlussinhaber für den Rechteinhaber die Ermittlungsarbeit übernehmen und aufklären muss, wer der wahre Täter der Rechtsverletzung war. Insbesondere gelte dies im Familienkreis. Dann reiche es bereits aus, dass der Beklagte aufzeige, welche Personen im Tatzeitpunkt zum Haushalt gehörten und damit abstrakt als Täter infrage kämen.
Dem war der Beklagte in dem vom Landgericht Berlin zu beurteilenden Fall in ausreichender Weise nachgekommen. Er hatte angegeben, dass er sich zum behaupteten Tatzeitpunkt nicht in der häuslichen Wohnung aufgehalten habe, sein PC ausgestellt gewesen sei und sich seine Ehefrau sowie deren Tochter einen PC zum Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung geteilt und diesen verwendet hatten. Der Beklagte hatte zudem vorgetragen, dass er nach Erhalt der Abmahnung sowohl seine Frau als auch seine Tochter, die beide Zugriff auf den Anschluss im Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung gehabt hätten, hierzu befragt zu haben. Beide hätten bestritten, etwas mit der Rechtsverletzung zu tun zu haben. Es bedurfte daher nach Ausführung der Richter keiner weitergehenden Nachforschungen des Beklagten dahingehend, ob die behauptete Rechtsverletzung tatsächlich von seiner Ehefrau oder deren Tochter begangen worden ist. Denn der verfassungsrechtlich garantierte Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz) verbietet es nach Ansicht des Gerichts, zu verlangen, einen bestimmten Angehörigen "ans Messer" liefern zu müssen.
Fazit
Die Entscheidung des Landgerichts Berlin ist zu begrüßen. Die Anforderungen, die an die sekundäre Darlegungslast zu stellen sind, werden hier lebensnah ausgelegt. Letztlich hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die Risikoverteilung der Beweislastfälligkeit eine klar Wertung getroffen: Es ist der Kläger, der alle anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale darlegen und beweisen muss. Kann er dies nicht, trägt er und nicht der Beklagte das Risiko des Unterliegens.
Wir selbst führen derzeit in einem vergleichbaren Fall ein Berufungsverfahren vor dem Landgericht Berlin. Hier geht es um eine Klage der Sony Music Entertainment Germany GmbH, vertreten durch die Kanzlei Waldorf Frommer. Das Amtsgericht Charlottenburg hatte die Klage in diesem Verfahren ebenfalls abgewiesen. Der Termin zur mündlichen Verhandlung findet in diesem Fall am 08.09.2015 statt. Beim Landgericht Berlin sind zwei Kammern mit Urheberrechtssachen befasst. Während in dem hier berichteten Fall die 15. Kammer zur Entscheidung berufen war, ist mit unserem Fall die 16. Kammer befasst. Es wird abzuwarten bleiben, ob sich die 16. Kammer der Rechtsprechung der 15. Kammer anschließt.