Gesetz zur Eindämmung des Abmahnmissbrauchs in Kraft getreten

Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs erlangt nach gestriger Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt heute, am 02.12.2020, Gesetzeskraft. Nach einem Vorstoß der CDU/CSU und SPD im Sommer verabschiedete der Bundestag das Gesetz im September. Das Gesetz soll schwerpunktmäßig ungerechtfertigte wettbewerbsrechtliche Abmahnungen verhindern. Zudem sollen sich Massenabmahnungen finanziell nicht mehr lohnen.

Stempel mit Abmahnung Aufschrift
Foto: S. Engels/AdobeStock

Kein Ersatzanspruch für Abmahnkosten

Bezug nimmt das neue Gesetz gegen Abmahnmissbrauch auf die rechtliche Grundlage des Wettbewerbsrechts, dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Das UWG wird entsprechend des neuen Gesetzes geändert bzw. ergänzt. So können ab heute unter bestimmten Voraussetzungen Abmahner die Kosten einer Abmahnung nicht mehr von der abgemahnten Person ersetzt verlangen. Nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 und 2 des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn sich die Abmahnung

  • auf einen Verstoß gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten in Telemedien (vor allem auf Internetseiten) oder,
  • auf einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder gegen das Bundesdatenschutzgesetz von Kleinstunternehmen und solchen kleineren Unternehmen, die weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen, bezieht.

Nach den Erwägungen des Gesetzgebers legt das neue Gesetz besonderen Wert auf die so genannten Telemedien, damit sind vor allem Internetseiten gemeint. Durch den Einsatz von Crawlern seien solche Verstöße einfach und automatisiert feststellbar, heißt es in der Drucksache zum neuen Gesetz (19/12084). Unter einem Crawler sind solche Programme zu verstehen, die automatisiert das Internet nach bestimmten vorher festgelegten Parametern durchsuchen und analysieren. Als Beispiele für einen Verstoß gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten nennt der Gesetzgeber § 5 des Telemediengesetzes, Informationspflichten im Fernabsatzverkehr nach § 312d des Bürgerlichen Gesetzbuches, die Pflicht zur Widerrufsbelehrung und die Vorschriften der Preisangabenverordnung.

 

Gegenansprüche unberechtigt Abgemahnter

Unberechtigt Abgemahnte können ab sofort nach § 13 Abs. 5 UWG n.F. die für die Abmahnverteidigung entstandenen Kosten vom Abmahnenden ersetzt verlangen. Dieser Betrag ist auf die vom Abmahnenden geltend gemachten Kosten begrenzt. Dieser Anspruch scheidet aus, wenn der Abgemahnte zur Zeit der Abmahnung nicht erkennen konnte oder aus objektiver Sicht hätte erkennen können, dass ihm die Abmahnberechtigung fehlt.

Ein Kostenerstattungsanspruch steht dem Abgemahnten etwa dann zu, wenn

  • der Abmahnende gar nicht anspruchsberechtigt ist
  • der behauptete Rechtsverstoß nicht vorliegt
  • die Formalien der Abmahnung nicht eingehalten wurden

Erhöhte Anforderungen an Aktivlegitimation

Mitbewerber sind ab sofort nur noch dann berechtigt sind, gegen Wettbewerbsverstöße vorzugehen, wenn sieund der abgemahnte Konkurrent in einem "konkreten Wettbewerbsverhältnis" zueinander stehen. Das heißt, der Abmahnende muss selbst Waren oder Dienstleistungen in "nicht unerheblichem Maße" und nicht nur "gelegentlich" vertreiben, um aktivlegitimiert zu sein. So soll der künstlichen Herstellung eines Mitbewerberverhältnis durch beispielsweise den angeblich Verkauf von Fantasieprodukten oder dem Werben mit einer extremen Produktvielfalt, von der tatsächlich nur ein Bruchteil der Produkte ernsthaft vertrieben wird, entgegengewirkt werden. Mahnt einTaschenverkäufer, der tatsächlich und regelmäßig Taschen verkauft einen anderen Taschenverkäufer wegen eines Wettbewerbsverstoßes ab, dann bleibt dieser abmahnfähig, da in dieser Konstellation ein echtes und konkretes Mitbewerberverhältnis vorliegt.

Nicht nur Mitbewerber, sondern auch Verbände müssen nun höhere Anforderungen an die Aktivlegitimation erfüllen. Verbände, wie beispielsweise der IDO müssen sich nun in eine vom Bundesministerium für Justiz geführten Liste eintragen lassen und nachweisen, dass Sie mindestens 75 Mitglieder für den abzumahnenden Bereich vorweisen können und dass es nicht der Hauptzweck des Verbands ist Profit mit den Abmahnungen zu generieren. Vielmehr muss der Verband nachweisen, dass er sich selbst finanzieren kann und die Abmahnungen zur Durchsetzung der Ansprüche seiner Mitglieder nutzt und eben nicht zur Generierung von Profit. Das könnte für einige Verbände schwierig werden. Die Verbände haben bis Ende 2021 Zeit sich eintragen zu lassen. Schaffen sie das bis dahin nicht, wird Ihnen die Aktivlegitimation aberkannt.

Vertragsstrafe in bestimmten Fällen ausgeschlossen bzw. begrenzt

Besonders wichtig für Abgemahnte zu wissen, die zum ersten Mal abgemahnt wurden und wo der Gegenstand der Abmahnung allein ein Verstoß gegen die privilegierten gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten oder gegen das Datenschutzrecht ist, ist das in solchen Fällen eine Festsetzung einer Vertragsstrafe ausgeschlossen wird. Voraussetzung ist dass der abgemahnte Unternehmer weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Ferner dürfen Vertragsstrafen Vertragsstrafenforderungen 1000,00€ nicht übersteigen, wenn der Verstoß angesichts seiner Art, seines Ausmaßes und seiner Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt und der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Interessant ist, dass diese Begrenzung für alle Anspruchsberechtigten gilt, also gleichermaßen für Mitwerber, Einrichtungen und Verbände wie dem IDO oder der Wettbewerbszentrale.

Voraussetzungen an Aktivlegitimation für Mitbewerber und Verbände steigen

Eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung darf nur im geschäftlichen Verkehr ausgesprochen werden. Das heißt ein Unternehmer kann einen anderen Unternehmer, der sich nicht an die Spielregeln des UWG hält, abmahnen. Verbraucher können einen Unternehmer hingegen nicht wegen Wettbewerbsverletzungen abmahnen. Zu beachten ist, dass ein Unternehmer seinen Mitbewerber aber nur dann abmahnen kann, wenn er in einem "konkreten Mitbewerberverhältnis" zu diesem steht.

Aufhebung des fliegenden Gerichtsstands im Internet

Grundsätzlich ist bei wettbewerbsrechtlichen Verstößen, die im Internet stattdinden, jedes deutsche Gericht sachlich zuständig (fliegender Gerichsstand). Gemäß § 14 Abs. 2 UWG n.F. wird dieser „fliegende Gerichtsstand“ nun in bestimmten Fällen aufgehoben und zuständig ist dann nur noch das Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand (Wohnsitz oder Niederlassung) hat. Diese Änderung tritt ein bei allen Verstößen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien (Online-Handel, sonstige Internetpräsenzen, Social Media) und unabhängig von der Art des Verstoßes bei Einleitung von Rechtsstreitigkeiten durch Anspruchsberechtigte, die keine Mitbewerber sind (Wirtschaftsverbände, qualifizierte Einrichtungen, IHKs). Diese Änderung kommt Abgemahnten zugute, denn sollte es aufgrund der Abmahnung zu einem Gerichtsverfahren kommen, ist das Gericht am Wohnsitz des Abgemahnten zuständig, sodass der Abgemahnte wenigstens keine Reisekosten auf sich nehmen muss, sondern den Rechtsstreit am Gericht seines Heimatorts ausfechten kann.

Gesetz gegen Abmahnmissbrauch in der Diskussion

Das Gesetz geht zurück auf einen Vorstoß der CDU/CSU und SPD. Während die Regierung in dem neuen Gesetz ein effektives Instrument zur Eindämmung ungerechtfertigter Abmahnungen auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts sieht, fürchtet die Opposition, dass Verbraucherschutzverbände durch das Gesetz in ihrer Tätigkeit eingeschränkt werden könnten. Das Gesetz ändere auch nichts an der Überforderungen von Menschen, die ein Abmahnschreiben erhalten, geben die Grünen zu bedenken. Der Bundestag hat das Gesetz im September verabschiedet, der Bundesrat im Oktober seine Zustimmung erteilt. Mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt tritt das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in Kraft.

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Carl Christian Müller, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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