Gerichtshofs Antwerpen legt Porno-Abmahnungen vor
Die vom obersten europäischen Gericht zu beurteilenden Fragen kommen von der Handelskammer des Gerichtshofs Antwerpen in Belgien. Dort hatte die zypriotische Briefkastenfirma M.I.C.M. Mircom International Content Management & Consulting Limited auf Herausgabe der Namen und Adressen der Nutzerdaten des belgischen Internetanbieter Telnet geklagt, weil diese angeblich Pornos über P2P-Netzwerke heruntergeladen haben sollen, an denen die Firma bestimmte urheberrechtliche Nutzungsrechte hält.
Schlägt Datenschutz Urheberrecht?
Der belgische Internetanbieter verweigerte jedoch die Herausgabe der Daten und berief sich auf den Datenschutz - über die DSGVO mittlerweile vereinheitlichtes europäisches Recht. Der Fall ist damit auch in Deutschland, dem Ursprungsland von Filesahring-Abmahnungen, von hoher Relevanz. Hier hat der Gesetzgeber eigens für Filesharing-Abmahnungen über den § 101 Abs. 9 UrhG eine eigene Rechtsgrundlage geschaffen, über die es Internetanbietern gestattet ist, bei Filesharing-Abmahnungen den Rechteinahbern die Personalien der Anschlussinhaber herauszugeben. die Personalien von Anschlussinhabern per Gerichtsbeschluss zu verlangen. Zwar hat die deutsche Rechtsprechung, namentlich der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 19.04.2012 diese Regelung auch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten als verfassungskonform beurteilt (I ZB 80/11).Allerdings hat die Praxis gezeigt, dass die Landgerichte bei der unter einen Richtervorbehalt stehenden Herausgabe der sensiblen Personalien recht großzügig hantieren. Die großzüge Gestattungsrechtsprechnung des Landgerichts Köln im Zuge der nun sechs Jahre zurückliegenden Redtube-Affäre kann getrost als handfester Justizskandal bezeichnet werden.
Allerdings hat der EuGH im vergangenen Jahr in einem über das Landgericht München vorgelegten Filesharing-Fall darauf hingewiesen, dass dem Rechteinhaber wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen müssen, um Rechtsverletzungen wirksam verfolgen zu können (Urt. v. 18.10.2018, Az. C-149/17). Es steht daher kaum zu erwarten, dass der EuGH das Begehren des Rechteinhabers am Datenschutz scheitern lässt.
Viel spannender als Datenschutz: Lizenzfragen und Aktivlegitimation
Viel interessanter ist daher die Frage, ob die Firma M.I.C.M. Mircom überhaupt befugt ist, Abmahnungen auszusprechen.Die M.I.C.M. Mircom ist in Deutschland übrigens keine Unbekannte. In den Jahren 2012 und 2013 ließ sie über die Kanzlei Negele Zimmel Greuter Beller in Deutschland Filesharing-Abmahnungen versenden, einer Kanzlei, die sich im vergangenen Jahr darauf verlegt hat, DSGVO-Verstöße abzumahnen.
Lizenz für P2P kein eigenständiges abmahnfähiges Nutzungsrecht
Die zypriotische M.I.C.M. Mircom produziert die abgemahnten Filme nämlich nicht selbst, sondern sichert sich lediglich die Rechte für den Vertrieb über Peer-to-Peer-Netzwerke an den aus den USA und Kanada stammenden Pornos. Hier stellt sich aber - auch nach deutschem Urheberrecht - die Frage, ob es sich hierbei um ein eigenständig übertragbares Nutzungsrecht handelt. Das wäre nur dann der Fall, wenn es sich insoweit um eine übliche, technisch und wirtschaftlich eigenständige und damit abgrenzbare Nutzungsformen handelte. Daran dürfte es jedoch bei dem Vertrieb eines Films in Filesharing-Netzwerken fehlen, da der Vertriebsweg keine eigenständige abgrenzbare Nutzungsform darstellt.
AG Charlottenburg: P2P-Lizenz reicht nich aus um Abmahnungen zu versenden
Genau an dieser Frage war im Jahre 2016 die Firma DigiRights Administration GmbH, die für Filmmusik ein vergleichbares Lizenz- und Abmahnmodell betreibt wie M.I.C.M. Mircom für Pornos, im Jahre 2016 vor dem Amtsgericht Charlottenburg gescheitert (Urt. v. 25.05.2016 - 218 C 37/16). Das Amtsgericht hatte in der überzeugenden Urteilsbegründung ausgeführt, dass es sich bei den von der DigiRights erworbenen Lizenzen um einen unselbständigen Unterfall handele, dem keine wirtschaftlich eigenständige Bedeutung zukommt. Dies ergebe sich daraus, dass hier nur die Datei zugänglich gemacht werde, die auch auf anderem Wege elektronisch verbreitet werden könne.
Und noch spannender: Ist das Uploaden von "Pieces" überhaupt eine Urheberrechtsverletzung?
Viel spannender dürfte aber die Beurteilung der folgenden Vorlagefrage der Antwerpener Richter durch den EuGH werden:
Ist das Herunterladen einer Datei über ein „Peer-to-Peer“-Netz und das gleichzeitige Bereitstellen zum Hochladen („Seeden“) von (bisweilen im Verhältnis zum Ganzen sehr fragmentarischen) Teilen („Pieces“) davon als öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten, obwohl diese einzelnen „Pieces“ als solche unbrauchbar sind?
Zu dieser Frage hat der BGH bereits in mit Urteil vom 06.12.2017 (I ZR 186/16 - Konferenz der Tiere) zu Lasten der Anschlussinhaber entschieden. Nach Auffassung des BGH kommt es nicht darauf an, ob nur Dateiteile oder der ganze Film in eine Tauschbörse eingestellt werden. Entscheidend ist vielmehr, so der BGH in der Urteilsbegründung, dass alle Nutzer eines P2P-Netzwerkes als Mittäter einer Rechtsverletzung anzusehen seien, da sie durch „bewusstes und gewolltes Zusammenwirken“ eine Urheberrechtsverletzung begingen. Die bei einem einzelnen Tauschbörsennutzer vorhandenen Teilstücke ergäben zusammen mit allen anderen Teilstücken der übrigen Tauschbörsennutzer wieder das Gesamtwerk, hier also den vollständigen Film.
Es bleibt nun abzuwarten, ob der EuGH sich in der im Zusammenhang mit der relativ unrefklektierten Rechtsprechung des BGH zu den Schadensersatzansprüchen bei Filesharing-Fällen kritkwürdige Auffassung des BGH anschließen wird. Sollte der EuGH den Fall des Uploades von bloßen Fragmenten der Filmdatei nicht als Urheberrechtsverletzung beurteilen wollen, wofür gute Argumente sprechen, könnte es auch für Abmahner wie Waldorf Frommer, die nach wie vor in großem Umfang Abmahnungen für Rechteinhaber wie Warner Bros. Entertainment GmbH oder Twentieth Century Fox Home Entertainment Germany GmbH aussprechen, ungemütlich werden, weil dann im Einzelfall nachgewiesen werden muss, ob der Film tatsächlich vollständig in eine P2P-Netzwerk eingestellt wurde.
Die vom Gericht in Antwerpen gestellten an den EuGH gestellten Vorlagefragen können hier in deutscher Sprache abgerufen werden.