Der fliegende Gerichtsstand komme nur bei sogenannten Erfolgsdelikten zur Anwendung. Das widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachen von urheberrechtlich geschützten Werken stelle jedoch nur ein abstraktes Gefährdungsdelikt dar, da es bei der Verwirklichung dieses Tatbestandes nicht darauf ankomme, ob der Verletzungserfolg tatsächlich eingetreten sei, die streitgegenständliche Datei also tatsächlich von einem anderen abgerufen worden sei, sondern allein darauf, dass die Datei Dritten zum Download bereitgestellt werde.
Kein Bezug zum Gerichtsbezirk Hamburg erkennbar
Zudem sei in dem konkreten Fall kein hinreichender Bezug zu dem von der Klägerin ausgewählten Gerichtsbezirk zu erkennen. Die bloße Abrufbarkeit rechtsverletzender Inhalte über Tauschbörsen könne nicht dazu führen, dass jedes Gericht zuständig sein solle, da dies „zu einer uferlosen Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten“ führen würde, da die Abrufbarkeit in diesen Sachverhaltskonstellation weltweit gegeben sei. Daher sei ein über die bloße Abrufbarkeit der entsprechenden Datei hinausgehender Bezug zu dem angerufenen Gericht erforderlich. Dies könne sich aus dem Wohn- oder Aufenthaltsort des Klägers oder des Beklagten ergeben oder sei für den Ort anzunehmen, an sich die Verletzungshandlung auswirke.
Da im dem vorliegenden Fall die Klägerin ihren Sitz in Haan, der Beklagte in Berlin wohne, und der Verstoß durch die Ermittlungsfirma Smaragd Service in der Schweiz festgestellt worden sei, seien ausreichende Berührungspunkte zu Hamburg nicht dargelegt. Eine allgemeine Lebenserfahrung dahingehend, dass in Hamburg fortdauernd und zu jeder Zeit illegale Downloads stattfänden und auch im konkreten Fall von Hamburg aus die von dem Beklagten womöglich angebotene Datei heruntergeladen worden sei, sei dem Gericht nicht bekannt. Hiergegen spräche bereits, dass beim Amtsgericht Hamburg im vergangenen Jahr mehrere tausend File-Sharing Fälle rechtshängig geworden seien, jedoch nur in ganz wenigen Ausnahmefällen Personen Beklagte waren, die ihren Wohnsitz in Hamburg oder Umgebung gehabt hätten, so das AG Hamburg weiter.
Im Übrigen läge Sinn und Zweck des fliegenden Gerichtsstands darin, die Sachaufklärung und Beweiserhebung zu vereinfachen. Dies sah das Gericht richtigerweise in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation als gerade nicht gegeben an, da keinerlei Sach- und Beweisnähe zum Gerichtsstandort erkennbar sei.
Grundrecht auf den gesetzlichen Richter gem. Artikel 101 GG durch Anwendung des fliegenden Gerichtsstandes verletzt
Schließlich, so das Amtsgericht Hamburg zutreffend, werde durch die Anwendung der Grundsätze des fliegenden Gerichtsstandes auf die vorliegenden Sachverhaltskonstellationen das Grundrecht des Institutes des gesetzlichen Richters nach Artikel 101 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz verletzt. Zuständigkeitsnormen seien so auszulegen, dass die Möglichkeit der Manipulation bei der Bestimmung des Gerichtes unterbleibe. Bereits daher verbiete sich eine Auslegung von Zuständigkeitsbestimmungen, die dazu führe, dass ein spezifisches Gericht und damit ein spezifischer gesetzlicher Richter nicht mehr festgelegt werden könne, sondern seine Zuständigkeit voll und ganz der Wahlfreiheit des Klägers überlassen werde. In diesem Fall werde das Prozessrecht im Hinblick auf die Festlegung des gesetzlichen Richters seiner grundsätzlichen Aufgabe nicht mehr gerecht, wenn es in der Weise ausgelegt wird, dass Amtsgerichte in allen Bundesländern der Republik örtlich zuständig sind. Eine solche Auslegung unterbinde nicht die Manipulationen bei der Bestimmung des zuständigen Gerichtes, sondern würde sie im Gegenteil eröffnen.
Kehrtwende zugunsten der Abgemahnten?
Dieser Beschluss ist zu begrüßen und war längst überfällig. Das Amtsgericht hat diesen Beschluss nach unserer Kenntnis auch in anderen Verfahren gleichlautend abgesetzt. Noch vor Inkrafttreten des Gesetzes gegen unlautere Geschäftspraktiken im Internet, in dem der fliegende Gerichtsstand bei Klagen wegen Filesharings abgeschafft wird, vollzieht das Amtsgericht Hamburg damit die längst überfällige Kehrtwende. Auch im Hinblick auf die überbordenden Aufwendungsersatzansprüche aus den Abmahnungen wegen Filesharings hatte das Amtsgericht Hamburg im Hinblick auf das Inkrafttreten des Gesetzes die Kosten aus einer Abmahnung auf 124,00 EUR beschränkt. Wie mir die zuständige Richterin am Rande einer weiteren Verhandlung letzte Woche jedoch mitteilte, sei der Beschluss vom Landgericht Hamburg jedoch wieder kassiert worden. Bedauerlich, wie ich finde.
In unserem Verfahren bleibt nun abzuwarten, ob die Klägerin einen Verweisungsantrag zum Amtsgericht Charlottenburg (zu den örtlichen Zuständigkeiten der für Urheberrechtssachen zuständigen Gerichte gibt es hier eine Übersicht) stellt, wofür das Gericht ihr eine 2-Wochen-Frist gesetzt hat oder aber die Sache entscheiden lässt. Dann wird das Amtsgericht die Klage vermutlich als unzulässig abweisen. Hiergegen kann die Klägerin dann Berufung zum Landgericht Hamburg einlegen. Es bleibt dann abzuwarten, ob das Landgericht dem Beschluss des Amtsgerichts Hamburg folgen will oder aber anderenfalls welche Argumente das Landgericht gegen die wirklich gute Begründung des Amtsgerichts zu setzen vermag. Wir werden weiter berichten.
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